Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
die anderen Kunden der Queen, die die Bachstelze Timothy benannt hatte, zeigten sich beeindruckt, wenn auch bei weitem nicht so verunsichert. Vielleicht hatten sie weniger zu verbergen.
Am späten Nachmittag kam Inspektor Dundee, der »beste Mann« der Bachstelze. Timothy fand, daß sie ihn wohl zu Recht so bezeichnet hatte und daß Dundee nicht weniger berechtigt seinen Spitznamen trug: Er sah nicht nur aus wie ein Dandy, er gab sich auch so, was es ihm sicher erleichtert hatte, sich unter die exklusive Kundschaft des Orakels zu schmuggeln.
Die Queen, so berichtete er, unterhielt ein Sekretariat von vier Mann – genauer, von zwei jungen, akademisch gebildeten Männern und zwei noch jüngeren und bildschönen Frauen, die nach Dundees Ansicht vor allem dazu dienten, einen optisch eindrucksvollen Kontrast zu dem verwitterten Antlitz der »Hundertjährigen« zu bilden –, das als Filter diente, durch das nur akzeptable Klienten drangen.
Dundee hatte bei der Anmeldung nicht, wie bei anderen Wahrsagern durchaus üblich, einen Fragebogen ausfüllen oder wenigstens Fragen beantworten müssen, man wollte nur sein Identicat sehen und wissen, welche Bank für seinen Kredit bürgte. Dundee glaubte auch nicht, daß jemand versucht hatte, über ihn nachzuforschen. Er hatte sich von einem Kollegen beschatten lassen, niemand war ihm gefolgt, niemand hatte in der Nachbarschaft recherchiert, und in der fraglichen Zeit waren seine Personaldaten weder im Versicherungs- noch im Zentralcomputer abgerufen worden, auch nicht aus der Polizeidatei. Dundee wurde überall noch als Mitarbeiter der Detektivabteilung der GLOBE INSURANCE geführt, nicht einmal seine Familie, so sagte er, wisse, daß er jetzt bei der Staatspolizei arbeite, trotzdem habe die Queen gewußt, daß er die rechte Hand der Bachstelze sei und sogar Fragen nach einem erst vor kurzem erfolgten und geheimgehaltenen Einbruch in der Depositenabteilung der Nationalbank beantwortet.
»Also doch die NSA?« fragte Timothy.
»Ich hoffe nicht, daß die NSA so gut über mein Privatleben informiert ist«, antwortete Dundee. »Debby behauptet, die NSA steckt nicht hinter dem Orakel, und sie scheint verdammt sicher zu sein.«
Er berichtete, was er alles unternommen hatte, um in den Räumen rund um das Appartement der Queen Anzeichen für irgendein Kommunikationssystem zu finden; er war mit außerordentlicher Gründlichkeit vorgegangen.
»Weder Leitungen noch leiterlose Verbindungen«, sagte er, »die einzige Erklärung: Es sind schon beim Bau des Hauses geheime Kabel einbetoniert worden, von denen niemand etwas weiß und die sie jetzt nutzt. Irgendeinen Draht muß sie schließlich zu ihren Rechercheuren und zu einem Computer haben, einem verdammt gut informierten Computer – man weiß doch, wie solche Scharlatane arbeiten –, nur, ich habe ihn nicht finden können.« Dundee machte ein reichlich zerknirschtes Gesicht, er war Niederlagen offensichtlich nicht gewohnt.
»Ich wollte ein Abhörgerät in ihrem Sprechzimmer installieren – unmöglich. Sie hat – wie alle Wahrsager dieser Kategorie – mit der Lizenz die Genehmigung für einen abhörsicheren Raum bekommen, und man hat die Anlagen nicht nur stillgelegt, man hat sie demontiert. Ich wäre sogar eingebrochen, um ihr eine Wanze unter die Tapete zu kleben, doch sie läßt den Eingang zum Sprechzimmer rund um die Uhr bewachen.«
»Kann man einen Recorder in das Sprechzimmer mitnehmen?« erkundigte sich Timothy.
Dundee lachte. »Die haben an alles gedacht, Mister Truckle. Technische Geräte beeinträchtigen angeblich das PSI des Orakels. Sie werden höflich gebeten, alles abzulegen, sogar Ihre Uhr, und bevor Sie Einlaß erhalten, werden Sie sehr fachmännisch gefilzt.«
»Was ist mit den Vorhersagen?«
»Wie bei einem richtigen Orakel, auf den ersten Blick sehr präzise, aber wenn man es genauer betrachtet, dunkel und zweideutig. Sie wissen doch: ›Wenn du gegen die Perser ziehst –‹ «
»– wirst du ein großes Reich zerstören« 17 , ergänzte Timothy. »Glauben Sie, daß die Queen die Gespräche aufzeichnet?«
»Natürlich macht sie das.« Dundee grinste. »Wer immer dahintersteckt, er will exakte Informationen. Und bei der Kundschaft bekommt er einiges zu hören.«
Nach diesem Gespräch war Timothy wirklich an dem Fall interessiert. Es gab nichts Verführerischeres für ihn als ein scheinbar unlösbares Rätsel. Er versuchte, einen Termin bei Donovan, dem Chef der GENERAL ELECTRIC und bis vor kurzem
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