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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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lag, rot verpustelt und schrumplig und immer schrumpliger, bis er zu atmen aufhörte. Die Queen senkte die Hände. Die Strahlen erloschen. Timothy war tief beeindruckt.
    »Was tat ich am Abend des achten Dezember des vorigen Jahres?« fragte er.
    »Ich sehe, ich sehe –« Wiederum leuchtete der Heiligenschein auf. Die Queen wußte tatsächlich, daß Timothy an diesem Tag in einer Videozelle der NSA einsaß und von Devlin verhört wurde! Sie beschrieb es so detailgetreu, daß Timothy einen Augenblick glaubte, wieder den riesigen Mund und die übergroßen Augen auf den Bildwänden zu erblicken und Devlins Stimme zu hören. Er unterbrach die Queen. Er war weiß Gott nicht scharf darauf, noch genauer an diesen scheußlichen Tag erinnert zu werden.
    »Glaubst du jetzt an meine Allwissenheit?« fragte die Queen gleichgültig.
    »Fast. Darf ich eine dritte Frage stellen?«
    »So viele Fragen du willst, doch bedenke: Jeder Weg in die Vergangenheit verkürzt die Zeit für den Blick in die Zukunft.«
    »Was bedeutet mir die ›Blackhill Avenue‹?« fragte Timothy. Die Queen referierte ein paar Szenen aus seiner frühen Kindheit, als die Truckles in der »Blackhill Avenue« gewohnt hatten, sie beschwor sogar eine Szene herauf, die Timothy schon vergessen hatte, wie er einmal beinahe von einem Auto überfahren worden war. Dann begann sie, die Katakombe unter der »Blackhill Avenue« zu beschreiben, den Atombunker, in dem die IK-Tagung stattgefunden hatte, auf der der Verräter im »Inneren Kreis« entdeckt wurde.
    »Genug!« rief Timothy. Und noch einmal: »Genug. Aufhören!« Der Heiligenschein erlosch. Er blickte der Queen in die Augen, in müde, verschlafene Augen unter uralten, faltigen Lidern.
    »Das alles weißt du?« fragte er verwirrt.
    »Ich weiß alles, und ich weiß nichts«, erwiderte die Queen. »Ich bin nur ein Medium. Ich bin der Äther zwischen dem Jetzt und der Unendlichkeit, in der wir alle beschlossen sind, eingefangen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Was willst du von der Zukunft wissen?«
    »Wie und wann werde ich sterben?«
    Sie blickte ihn mit einem traurigen Lächeln an. »Ich hatte nicht gedacht, daß du gerade danach fragen würdest. Nicht du. Was nützt dir das Wissen über dein Ende, wenn du nicht weißt, wie der Weg dorthin beschaffen sein wird?«
    »Ich will es trotzdem wissen«, beharrte Timothy.
    »Ich sehe, ich sehe – du wirst eines gewaltsamen Todes sterben. Nicht unter Schmerzen, ohne lange zu leiden, doch nicht weniger grausam, denn es wird kurz vor der Erfüllung deiner größten Sehnsucht sein. Und daß du stirbst, wird die Schuld deines ärgsten Feindes sein: du selbst.«
    Timothy wartete noch einen Augenblick, doch es kam nichts mehr, die Queen senkte die Hände und blickte ihn freundlich an.
    »Und in welchem Jahr?« fragte Timothy.
    Sie schüttelte den Kopf. »Da versagt meine Kraft. Noch nie ist es mir gelungen, ein exaktes Todesdatum vorherzusagen. Frag etwas anderes.«
    Timothy konnte noch drei der acht Fragen stellen, die er vorbereitet hatte, dann war die Zeit um. Er achtete kaum darauf, was die Queen ihm prophezeite, es war so unwichtig wie seine Fragen, bloßes Futter, um ihre Reaktionszeiten zu stoppen. Er grübelte, woher die Queen nicht nur intime Kenntnis von seiner Kindheit hatte, sondern ganz offensichtlich auch von dem lebensgefährlichen Geheimnis seines Doppellebens.
    Sie schien Gedanken lesen zu können. Als er sich verabschiedete, nahm sie seine Hände, drückte sie fest und blickte ihm in die Augen.
    »Beunruhige dich nicht, weil meinem Blick nichts verborgen bleibt«, sagte sie eindringlich und mit beschwörendem Tonfall, »es ist nur mein inneres Auge, das alles erblickt. Wenn ich zu dir spreche, dann bin ich taub, und wenn ich dich höre, dann bin ich stumm. Was heute und hier offenbar wurde, bleibt hier und heute verschlossen und ist vergangen, sobald du den Raum verläßt.«
    »Das erleichtert mich sehr«, sagte Timothy. Er hätte sich wesentlich wohler gefühlt, wenn er es hätte glauben können.
    4.
    »Ich könnte vor Wut aus der Haut fahren, weil ich so emotional reagiert habe!« schloß Timothy seinen Bericht. »Ich hätte sie unbedingt weiterreden lassen müssen, um zu erfahren, wieviel sie wirklich weiß. Nun sind wir genauso schlau, vielmehr so dumm wie zuvor.«
    »Das Ergebnis ist in der Tat mehrdeutig wie ein Orakelspruch«, sagte der Große Bruder.
    »Mir ist weiß Gott nicht nach Witzen«, knurrte Timothy. »Ich habe eine einmalige Chance verpatzt.

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