Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Kissen. Nun mußte er die Knödel nur noch in Salzwasser aufsetzen, sobald Anne kam, und braune Butter bereiten.
Der Communicator schlug an.
Ein unbekannter junger Mann, sehr elegant gekleidet, sehr höflich, erkundigte sich, ob er mit Mister Truckle verbunden sei.
»Peter Leclercq«, stellte er sich vor. »Ich bin der Leibdiener von Grandma. Ich denke, ich muß nicht erst erklären, wer Grandma Magginthy ist.«
»Nein, das müssen Sie wirklich nicht«, sagte Timothy. Wer kannte nicht Gwendolyn Magginthy, Grandma, wie sie sich selbst anreden ließ, die Chefin der GENERAL MOTORS, eines der allergrößten Konzerne der Staaten.
»Grandma möchte Sie sehen«, sagte Leclercq. »Morgen früh. Wann soll ich Sie abholen lassen?«
»Gar nicht«, erwiderte Timothy. »So leid es mir tut, aber ich habe im Augenblick nicht einmal für Grandma Zeit.«
Leclercq starrte ihn an, Mund und Augen weit aufgerissen. Solch eine Antwort hatte er wohl noch nie bekommen.
»Außerdem bin ich krank«, erklärte Timothy, »meine Klimatoleranz ist im Augenblick extrem niedrig. Der Arzt hat mir strikt untersagt, die abgestimmte Atmosphäre meines Appartements zu verlassen.«
»Grandma wird das respektieren«, sagte Leclercq. »Sie wird Sie also morgen besuchen kommen, Mister Truckle. Sagen wir, um zehn Uhr?«
Timothy schluckte. Er hatte keine Lust, auch nur eine Minute an einen Klienten zu verschwenden, selbst wenn es der Präsident der Staaten persönlich wäre. Was wußte er denn, wie lange Anne noch Zeit für ihn hatte.
»Oder können Sie es sich leisten, Grandma einen Korb zu geben?« fragte Leclercq lächelnd.
Timothy entschloß sich, das Lächeln zu erwidern. »Natürlich nicht. Nur, ich fürchte, ich kann ihr nicht zu Diensten sein – mein Zustand, Sie verstehen?«
»Darüber wird Grandma selbst entscheiden«, sagte Leclercq und schaltete sich aus.
Timothy erzählte es Anne erst kurz vor dem Sonnenuntergang. »Glaube mir, ich will sie nicht sehen, Anne. Doch was soll ich tun? Ich muß sie wenigstens anhören. Ich werde ihr klarmachen, daß sie sich einen anderen Detektiv suchen soll, und sie so schnell wie nur möglich rausschmeißen.«
»Sei nicht unklug«, sagte Anne. »Nimm dir Zeit für sie. Ich muß morgen ohnehin für ein paar Stunden weg.«
»Wohin? Was treibst du eigentlich andauernd? Ich denke, du hast Karenzzeit!«
»Bitte, Tiny!« Anne streichelte seinen Hals und seine Schulter.
»Ja, schon gut«, knurrte Timothy. »Ich weiß: keine Fragen.«
»Ich erzähle dir ohnehin schon zuviel«, sagte Anne.
»Zuviel? Nichts! Ich kenne gerade eine Handvoll Episoden aus deiner Kindheit und die offizielle Version deiner Personality, das aber ist mit Sicherheit eine perfekt kalkulierte Mischung aus Wahrheit und Fiktion. Wo bist du eigentlich aufgewachsen? Wie hast du in all den Jahren gelebt? Wie bist du, ein Mitglied einer der ›Großen Familien‹, zu uns gestoßen – bist du tatsächlich eine Verwandte von DuMont? Manchmal zweifle ich sogar –«
Anne stoppte seinen Ausbruch mit einem Kuß. »Du weißt, ich liebe dich, ist das nicht genug?«
»Liebe auf Zeit! Liebe als Karenzzeit zwischen zwei Einsätzen. Eine Geliebte, die man nicht kennen darf.«
»Haben Liebende sich je gekannt?« Anne schob die Hände unter den Kopf und blickte in den Videohimmel, über den gerade ein Meteoritenschwarm feurige Funkenbahnen zog. »Ist nicht gerade das das Wunderbare an der Liebe, daß sie uns fähig macht, dem anderen unbegrenzt zu vertrauen, fern aller Gewißheit und zugleich voller unantastbarer Gewißheit? Es gibt ein Wort von Max Frisch, einem alten Schweizer: ›So wie das All, wie die Materie – schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfaßbar ist der Mensch, wenn man liebt.‹«
»Ja, unfaßbar und voller Geheimnisse, das bist du!« Timothy richtete sich auf und sah Anne in die Augen. »Ist unsere Liebe aber auch voller Möglichkeiten? Schrankenlos?« Er schüttelte verzweifelt den Kopf. »Haben wir denn überhaupt eine Chance. unsere Liebe richtig zu erleben? Ach, Anne, nie werden wir völlig eins sein dürfen, nie miteinander heimisch sein, wortlos, auch im Unterbewußtsein wissen: da bist du, so bist du – Liebe auf Abruf: eine Perversion mehr in unserer grandiosen Welt!«
»Du bist ungerecht«, sagte Anne. »Zählt Liebe nach Stunden und Tagen? Waren die großen Liebesgeschichten der Vergangenheit groß, weil sie lange dauerten? Ich denke, unsere Liebe ist gerade deshalb so einmalig, weil sie
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