Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
lächelte. »Sag mal, ist der Lammbraten noch nicht fertig? Ich habe einen Mordshunger.«
Napoleon hatte mehrere Dutzend Katastrophenberichte zusammengetragen, einer immer bedrückender als der andere. Sie saßen schweigend da und studierten die Folien, Simon kaute auf der Unterlippe, Timothy hätte sich gerne noch einen Whisky eingeschenkt, doch er wußte, er war zu müde, und noch mußte er einen klaren Kopf bewahren.
»Das hier könnte es sein«, rief Simon plötzlich so laut, daß Timothy zusammenfuhr. »Hör mal zu: ›Die Tränen des Todes – Tragödie ohne Beispiel inmitten der Muddies. – Eine bislang unbekannte und noch nicht identifizierbare Seuche hat alles Leben in der Oase Hollyoke Bluffs ausgelöscht. Die Experten der staatlichen Untersuchungskommission vermuten, daß es sich bei dem Erreger um eine spontane Mutation aus den Müllwüsten handelt, die Hollyoke Bluffs umgeben. Über der Oase wurde sofort eine Klimasphäre errichtet, um das Gebiet hermetisch abzuschließen und eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern.‹ Ich vermute, sie haben die Klimasphäre schon vor Beginn des Tests errichtet«, kommentierte Simon, »weiter im Text: ›Der Tod muß nach Augenzeugenberichten der an den Ort der Katastrophe geeilten Mitarbeiter des Zentralen Katastrophendienstes äußerst schmerzhaft gewesen sein, denn ausnahmslos alle der einundzwanzigtausendsiebenhundertvierundachtzig Toten wiesen verkrampfte Gesichtszüge und Spuren von Tränenergüssen auf.‹ – Sterbende weinen nicht.« Simon blickte Timothy nachdenklich an.
»Die Tränen sind ein Indiz. Sie starben an etwas, das auch ihre Tränendrüsen reizte, und es gibt eine Verbindung zwischen dem Rachenraum und den Augenhöhlen. Versuch mal herauszubekommen, wer die Mitglieder der Untersuchungskommission waren, Tiny.«
Auf der langen Liste befanden sich die Namen von Gerard Pelletier, Commander Powell, Harriman Trujillo, Ingmar Halley und Saul Bottenrode.
»Brauchst du noch mehr Beweise?« rief Simon. »Sie haben die Waffe, sie haben sie!«
»Und was tun wir jetzt?« fragte Timothy hilflos. »Kann man überhaupt etwas tun?«
»Bei einer technischen Waffe könnte man versuchen, einen Zeitzündereffekt in die Produktion einzuprogrammieren, eine Langzeitveränderung, die erst wirksam wird, wenn die Waffe alle Kontrollen passiert hat, und die sie dann unschädlich macht, doch hier?« Simon versank ins Grübeln. Timothy schlich auf Zehenspitzen hinaus und brühte Tee. Als er wiederkam, machte Simon den Eindruck, als sei er eingeschlafen. Plötzlich öffnete er die Augen und sah Timothy an.
»Hoffen wir, daß die Vorbereitungen noch nicht allzuweit gediehen sind. Der Massenmord von Hollyoke Bluffs liegt ja erst ein paar Wochen zurück. Wir werden sofort die DRAUSSEN informieren lassen, damit sie die Herstellung von Chlorylpanthenol einstellen und sich ein anderes Desinfektionsmittel ausdenken. Und wir müssen versuchen, irgendwie an diese verdammten Bakterien heranzukommen.« Simon lächelte müde. »Keine Angst, Tiny, dein Teil ist erledigt. Da muß ein anderer ’ran. Für so etwas bist du nicht der geeignete Mann.«
Sie blickten sich lange stumm in die Augen.
»Ich wünsche dir alles Glück dieser Erde, Simon«, sagte Timothy leise.
»Das werde ich auch verdammt nötig haben, Tiny!«
Timothy instruierte den Communicator, er sei verreist; nur wenn Anne sich meldete, sollte man ihn sofort wecken. Dann schlief er mit kurzen Unterbrechungen zwei Tage lang.
Anne hatte nicht angerufen, dafür Inger, jeden Tag zweimal. Timothy sandte ihr ein Communic, daß er seine Reise nach Seabridge wegen eines dringenden Auftrags leider verschieben müsse. – Und Devlin bat um Anruf. Timothy frühstückte erst einmal gemächlich. Mit Mokka. Pride Bentley hatte Wort gehalten und ein Päckchen Kaffeebohnen geschickt, dazu die Fotos und ein Anschreiben:
»Sie können Ihren Freund beruhigen. Keine der Personen ist in den einschlägigen Dateien gespeichert, mit einer Ausnahme: Einer hat Ähnlichkeit mit Ihnen, lieber Mister Truckle, und Sie sind in der Datei der Chicagoer Polizei erfaßt; warum, wollte man uns nicht mitteilen. Vielleicht bekommen Sie es heraus? Noch eines: Es gibt immer noch Spatzen, zumindest in den Muddies um Cleveland, dort allerdings sind sie zur Größe von Graugänsen mutiert, und sie sollen äußerst aggressiv sein. Also Vorsicht beim Füttern!«
Timothy räumte gerade den Tisch ab, als Anne auf dem Monitor erschien.
»Hallo, Tiny, ich hoffe,
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