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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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so bedroht ist. Weil wir nur dem Augenblick leben dürfen. Weil wir wissen: Jede Sekunde kann es vorbei sein. Ich empfinde sie wie ein Wunder.«
    »Und ich habe Angst, Anne. Angst vor dem Augenblick, da wir uns trennen müssen.«
    »Nein, Angst habe ich nicht«, sagte Anne nachdenklich, »doch wenn ich besonders glücklich bin, überkommt mich zuweilen ein schlechtes Gewissen – darf ich überhaupt so glücklich sein inmitten dieser entsetzlichen Welt?«
    »Ja, wir dürfen!« rief Timothy. »Wir haben das Recht auf unsere Liebe, auf unbedingte, totale, grenzenlose, verrückte Liebe. Wir müssen die zwölf Grundrechte um ein dreizehntes ergänzen: das Recht auf Liebe!«
    »Nicht so laut, Tiny, du bringst Schneewittchen noch zum Weinen.« Anne schloß ihm den Mund mit den Fingern. »Und wenn es nur ein paar Tage sind, Tiny – ich weiß jetzt, ich habe gelebt, denn ich habe geliebt.«
    2.
    Gwendolyn Magginthy kam mit ihrem Leibdiener Leclercq, vier schwerbewaffneten Wächtern und Ninouche, einer riesigen Perserkatze, die ein mit Rubinen und Smaragden besetztes Halsband trug. Grandma trug ein raffiniert geschnittenes Kleid aus einem Stoff, der alle paar Minuten seine Farbe wechselte und zwischen Orange und Rot für Sekunden durchsichtig wurde. Sie war Mitte Dreißig und sah weiß Gott nicht wie eine Großmutter und auch nicht wie einer der führenden Bigbosse aus, eher wie die Geliebte ihres Leibdieners.
    Timothy begrüßte sie mit einem Handkuß. Nicht, weil sie eine große Dame, sondern weil sie, wie er aus Napoleons Recherchen erfahren hatte, Mitglied der erzkonservativen Sekte »Eremiten für die Rettung Amerikas« war, die, entgegen allen öffentlich zur Schau gestellten Allüren, insgeheim einer doppelten Moral huldigten und sich in ihrem Privatleben strengste Askese und mönchische Kargheit auferlegten; man munkelte, daß einige sogar auf einem Nagelbrett schliefen wie einst die indischen Fakire. Grandma bestimmt nicht, wie das gerade durchsichtig werdende Kleid verriet. Die Eremiten pflegten untereinander ein streng hierarchisches Kußritual, in dem genau festgelegt war, wer wen mit einfachem, doppeltem oder dreifachem Kuß auf Wange, Stirn oder Mund begrüßte, und sie wollten den Handkuß gegenüber Höhergestellten wieder allgemein einführen.
    Die Leibwächter postierten sich im Etagenflur, Leclercq mußte im Wohnzimmer warten, die Katze kam mit ins Mausoleum. Timothy erkundigte sich, ob er Grandma etwas anbieten dürfte. Sie lehnte ab; wenn er jedoch einen Schluck Milch für Ninouche hätte ... Widerwillig opferte Timothy ein Achtelliter des kostbaren Naß. Ninouche mußte auch einen eigenen Sitz bekommen, und obwohl Timothy Katzen nicht ausstehen konnte, verspürte er den Drang, ihr seidig glänzendes Fell zu kraulen. Es amüsierte ihn, daß der uralte Putzdrang aus dem genetischen Programm der Affenvorzeit durchschlug, einer halben Million Jahren Entwicklung zum Homo sapiens und seiner persönlichen Abneigung gegenüber Katzen zum Trotz. Er gab seinem Drang nach und streichelte das Vieh. Nicht, weil es Ninouche wohltat, wie sie schnurrend bekundete, sondern ihrer Besitzerin: Grandma blickte Timothy an, als ob sein Griff zum Katzenfell nur eine Ubersprungshandlung sei und in Wirklichkeit ihr galt.
    »Ich weiß, Sie sind krank«, sagte sie, »aber ich weiß auch, es gibt niemanden, der besser ist als Sie. Nein, Mister Truckle, widersprechen Sie nicht! Ich habe mich erkundigt, und ich bin fest entschlossen, keinen anderen als Sie zu engagieren. Notfalls warte ich ein wenig. Darf ich Ihnen meine Ärzte anbieten?«
    »Danke«, erwiderte Timothy, »das wird nicht nötig sein. Was ist Ihr Problem, Grandma?«
    »Ich kenne Ihren Ruf«, antwortete sie, »aber ich muß Sie trotzdem bitten, sich zu verpflichten.«
    Sie öffnete den Pompadour aus schweren Goldmaschen, den sie als Handtasche trug, und holte ein Diktophon heraus. Sie hatte auch einen Text mitgebracht, dem zufolge Timothy bei Bruch der Geheimhaltungsklausel nicht nur seine Lizenz verlor, sondern auch noch eine Million Dollar Schadenersatz zu zahlen hatte. Da Timothy nicht die Absicht hatte, sie als Klientin anzunehmen, sprach er den Text ohne Korrektur und besiegelte ihn mit seinem Stimmidenticat.
    »Damals, als GENERAL MOTORS und FORD die Autoproduktion einstellen mußten«, 40 begann sie, »haben unsere Unternehmen einen Vertrag geschlossen, der die Einzelheiten des Monopols regelt, das wir von der Regierung als Entschädigung bekamen, das Monopol

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