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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Aber ihm und Rodney hatte Jason es natürlich erzählen müssen, noch während der Sheriff aus der Einfahrt zurück auf die Straße setzte und im Fernsehen die Ramones in ihren schwarzen Röhrenjeans Akkorde zerfetzten, und Rodney war nach Hause gegangen und hatte es seiner Mutter erzählt, und vielleicht seinen drei Brüdern, sechs Schwestern, seinem Großvater und seinem Daddy auch noch, und jetzt, als der Sheriff um vier Uhr Jason und die Hunde abholen kam, scharte sich doch eine beträchtliche Menschenmenge zusammen.
    Donnernd und dröhnend, wie ein Wolkenbruch, brach die Stimme los, und sie stürzte ihn in eine so absolute und plötzliche Panik, dass ihm die Zahnfüllungen schmerzten und selbst Jōchō nicht mehr helfen konnte. » Heyro Taynayka, Sie kommen jetzt auf der Stelle da raus, und dabei tun Sie schön brav die Hände über dem Kopf halten, damit ich sie auch ja gut sehn kann! « Und neben dieser Stimme raste das Hundegebell – wild und geifernd, ein Gebell, das an seinem eigenen Ingrimm und Speichel fast erstickte, das Gebell von Killerhunden und Menschenfressern. Sie würden ihm das Fleisch von den Knochen reißen.
    Im Nu war er in seine Shorts geschlüpft, für die Turnschuhe blieb keine Zeit, und schon kletterte er über Ruths Schreibtisch zum hinteren Fenster. Hoch flog der Schieberahmen, einen Fuß auf den Tisch, den anderen aufs Fensterbrett, doch dann erstarrte er. Sein hara sank wie ein Stein, sein Herz wurde zu Asche. Was er dort sah, waren Neger – Neger mit Gewehren und Hunden. Hakujin auch, mit Uniformen und blinkenden Sternen, mit noch mehr Gewehren und noch mehr Hunden. Er war umzingelt. Es war aus. Alles vorbei.
    » Heyro Taynayka «, donnerte die Stimme vor dem Haus wieder los, » ich tu jetzt bis zehn zählen, und bis dahin kommen Sie von selber raus, sonst kann ich für keine Konsequenzen nicht garantieren! Eins. Zwei. Drei … «
    Er kannte sie. Sie waren schon hinter ihm her gewesen, ehe er noch einen Fuß auf ihre Insel gesetzt hatte, sie hatten ihn aus Hog Hammock vertrieben, und aus Ambly Woosters Haus auch. Amerikaner. Mörder. Individualisten außer Rand und Band. Er zog den Kopf ein und ging auf die Tür zu, besiegt und bezwungen, keine Gnade erwartend, sondern das Gesetz des Dschungels, das Gesetz von Bastard und räudigem Halbblut. Wenn er den Schwanz einzog und die Hände auf den Kopf legte, dann konnte er … konnte vielleicht …
    Mit einem Mal jedoch flüsterte ihm, magisch und hinterlistig, Jōchō ins Ohr – Der Weg des Samurai ist der Weg durch den Tod; einen Mann mit starkem Willen können mitunter zehn Männer nicht überwältigen –, und er war wieder Japaner durch und durch, kein Bastard, kein happa , kein halber hakujin , sondern Japaner, und neue Kraft durchströmte ihn, sammelte sich als feuriger Ball in seinem Bauch. Er trat durch die Tür – »Nicht schießen!«, rief er –, die Hände auf den Kopf gelegt, aber mit einem Blitzen in den Augen.
    In diesem Augenblick entspannten sich alle – der Sheriff, die Staatspolizisten, die Neger mit den blutunterlaufenen Augen, der schlaksige hakujin mit dem weißgefleckten Gesicht und der Zwerg in Tarnuniform, von dem Ruth ihm erzählt hatte –, sie alle lockerten ihre Spannung für den winzigen Bruchteil einer Sekunde. Hiro stand auf der Schwelle, trat auf die Veranda, und sie glotzten ihn alle an, als hätten sie noch nie einen Mann mit hara gesehen. Das genügte ihm, dieser Sekundenbruchteil, in dem der Sheriff das Megafon von den Lippen hob und die Neger, die Polizisten und die weißen Proleten den Finger vom Abzug nahmen …
    »Fahrt zur Hölle!«, brüllte Hiro auf einmal und hechtete auf den Bretterboden, worauf ringsherum eine Kanonade der erst verblüfften, dann wutentbrannten Belagerer losging. Glas klirrte, Holz splitterte, Schüsse trafen Ruths Olivetti, die Querschläger schwirrten in tödlichen Synkopen umher und durchschlugen den Büchsenstapel, die Bambussprossen und Makrelen in Sojasauce. Und dann, im nächsten Sekundenbruchteil, in der kurzen Pause zwischen der ersten Salve und der zweiten, flankte er über das Geländer und rannte den ersten Mann, der ihm im Weg stand, über den Haufen. Es war ein alter Neger mit rauchender Flinte und einer Pfeife zwischen den Zähnen. Der Alte war wie ein Teppich, eine Bastmatte, ein Stück Stoff. Dann war er weg, und es stand ein zweiter Neger da, dann ein Weißer, und Hiro rannte mitten durch sie hindurch, als wären sie aus Papier, dämliche, verdutzte

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