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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Hand eine Tasse Kaffee; er wirkte bedeutend und erwachsen, dabei war er bloß zwei Jahre, acht Monate und elf Tage älter als Royal. Eine schummrige 25-Watt-Birne brannte ein gelbliches Loch in die Nacht auf der Veranda, und schon von der Mitte der Wiese her konnte Royal die dunklen Gestalten der dort versammelten Männer ausmachen, es waren acht oder zehn, die da im Halbdunkel hockten und bedächtig die Sandwiches kauten, die ihnen Jasons Mutter in der schummrigen Küche gemacht hatte. Seine Augen bestätigten ihm, was seine Nase bereits wusste: Yerdell Carter war auch dabei, er sah die warme Glut seiner Pfeife, das Jagdgewehr zwischen den Knien. Die übrigen (er erkannte Jenkins, Butterton, Creed, alles Freunde seines Vaters und Waschbärenjäger) kauerten über Schrotflinten, umfassten das stumpf glitzernde Metall so selbstverständlich wie Regenschirme vor einem Wolkenbruch.
    Die Wiese war nass vom Tau, und als sich Royal schwer atmend näherte, quietschten seine Turnschuhe. Er war zu groß für seine sechzehn Jahre, zu schlaksig, er hatte die schmalen, langen afrikanischen Unterschenkel seines Vaters und eine sorgfältig gestutzte Tolle aus gebleichtem und geglättetem Haar. Er sah einfach – nun ja, anders aus, und er wusste, irgendjemand würde deswegen bestimmt eine schlaue Bemerkung machen. Yerdell Carter war sein Mann. Nachdem er mit hörbarem Klatschen eine Stechmücke erledigt hatte, verzog er das verfallene alte Gesicht zu einem Grinsen und fragte Royal, ob er vielleicht auf Chinesenjagd gehen wolle.
    Royal gab keine Antwort. Sein Vater hätte hier sein müssen, aber der fuhr mit seinem Lastwagen irgendwo in Kansas oder Wyoming oder einem dieser windigen Staaten herum, die Royal nur aus Videos kannte. Zwei Drittel der Zeit fuhr sein Vater mit dem Laster herum, und wenn er nach Hause kam, dann war Feierabend. Royal war sechzehn und wog gut acht Kilo zu wenig, ein schlaksiges Etwas aus Knorpeln und Knochen. Aber wohin Jason mit seinen Hunden ging, da ging er auch hin. Davon konnte ihn niemand abhalten.
    Jason sah von den Hunden seines toten Vaters auf und hielt ihm ein Sandwich hin, Weißbrot mit Mortadella. »Nee, danke«, sagte Royal und schüttelte den Kopf, als hätte man ihm gerade den Leib Jesu Christi angeboten, Fleisch und Blut, noch warm und pulsierend, »keinen Hunger.«
    Am Abend zuvor – vor sechs Stunden also – hatte er sich mit Jason und Rodney Cathcart die Rock ’n’ Roll High School auf Jasons Videorekorder angesehen, als auf einmal Sheriff Peagler vor der Tür stand. Jasons Mutter lag schon im Bett, und die drei Jungen hätten sich fast in die Hosen gemacht, als sie sahen, wer da klopfte. Sie hatten Gras geraucht – hatten alle Kippen, die sich im Lauf des Sommers angesammelt hatten, zu einem jämmerlichen Joint gedreht –, und die Schwaden hingen im Wohnzimmer wie ein böser Dschinn. Aber an Marihuana war der Sheriff gar nicht interessiert. Er kam wegen der beiden großen Schweißhunde und der kleinen Bracke, für die Jasons verstorbener Vater in Brunswick hundertzehn Dollar auf den Tisch gelegt hatte.
    Der Sheriff war ein knochendürrer Weißer mit tiefen Furchen im Gesicht und harten blauen Augen, die einen wie mit der Zange packten. In der High School war er ein Football-Star gewesen – Stürmer – und hatte damit ein Stipendium an irgendeinem College im Norden gekriegt, aber nach zwei Spielsaisons war er wieder abgegangen. Er trug Hut und Sheriffstern, ansonsten aber hatte er Jeans, T-Shirt und Stiefel an wie alle anderen Leute auch. Er klopfte einmal und steckte gleich den Kopf zur Tür herein. »Jason«, sagte er, »könntest du mal einen Moment rauskommen?«
    So war das gewesen. Und deshalb standen inzwischen zwölf Männer (bald würden es fünfzehn sein) vor dem Haus der Arms und sahen aus, als wollten sie auf Waschbärenjagd gehen; deshalb tat Jason so wichtig, und deshalb konnte Royal nichts essen. Sie hatten den verfluchten Chinesen aus Japan gefunden, der seinen Onkel umgelegt hatte. Der Sheriff brauchte die Hunde, und er bezahlte Jason fünfundzwanzig Dollar dafür, dass er sie zur Verfügung stellte und als Hundeführer mitkam, aber er bat Jason, die Sache geheim zu halten. »Ich werde mir diesen Delinquenten kaufen und ihn ein für alle Mal aus dem Verkehr ziehen«, hatte er gesagt und ein kompliziertes College-Wort verwendet, um seiner Absicht Nachdruck zu verleihen, »aber ich will nicht, dass die halbe Insel antanzt und mir dabei im Weg rumsteht, verstanden?«

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