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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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»Weißt du nicht, was das bedeutet? Jetzt werden sie auch hinter mir her sein, sie werden auch mich verhören wollen – die könnten mich sogar verhaften, Sax.« Sie hatte sich in Stimmung geredet. Das Bett erzitterte, sie atmete schwer. Sie empfand Angst und Zorn, empfand Mitleid mit sich selbst.
    Saxby trat näher. Sie spürte, wie er sich behutsam aufs Bett setzte und ihren Arm streichelte. »Schon gut«, sagte er. »Du weißt doch, ich würde nie zulassen, dass sie dir etwas tun.«
    »Ich hab Angst«, sagte sie und klammerte sich an ihn. »Er war doch nur – er war so was wie ein herrenloser Hund für mich«, und dann fing sie wieder an zu schluchzen.
    Sheriff Peagler ließ sich gegen Mittag sehen, flankiert von einem grimmig dreinschauenden Abercorn und einem noch grimmiger dreinschauenden Turco. Am Sonntagvormittag lief keine Fähre, deshalb hatten sie Hiro in eine alte Arrestzelle für Sklaven gesperrt, bis Ray Manzanar seine Acht-Uhr-Fahrt zum Festland und zurück unternahm. (Es ging auch eine frühere Fähre, um sechs, aber wie der Sheriff Ruth mit einem Henkerslächeln mitteilte, würden sie alles verfügbare Sonnenlicht brauchen, um den Tatort nach Beweismitteln zu durchkämmen.) Ruth kannte die Zelle – sie befand sich hinter »John Berryman«, dem Studio, das dem Großen Haus am nächsten lag; derzeit wurde es von Patsy Arena bewohnt. Saxby hatte ihr die Zelle am Tag ihrer Ankunft gezeigt, es war die Sorte Sehenswürdigkeit, die Touristen gern bestaunten. Eigentlich waren es zwei Zellen, Steinmauern und bröckliger Mörtel, schwere Eichenholztüren mit Eisenriegeln und ein vergittertes Fenster, dreieinhalb Meter über dem Erdboden. In die eine Zelle warfen die Pflanzer seinerzeit jeden neu eingetroffenen Sklaven – mit wildem Blick, fiebernd, frisch aus Goree oder Dakar, hinter sich die angsterfüllte Fahrt über die stürmische hohe See –, und in die andere steckten sie immer einen längst gebrochenen, klapprigen, alten, väterlichen Typen, damit der alte Sklave den neuen einlullte, seine Ängste beschwichtigte, ihn indoktrinierte. Die Zellen befanden sich in einem kleinen Gebäude hinter dem Studio, und wären nicht die Bäume, könnte man sie vom Großen Haus aus sehen.
    Ruth hatte vier Stunden Zeit gehabt, sich zu sammeln, auch wenn die Neuigkeit sich sofort im ganzen Haus verbreitete. Sie hatte Saxby an der Tür postiert – Irving war da gewesen, Sandy, Bob, Ina, Regina, sogar Clara und Patsy, aber Saxby hatte keinen hineingelassen. Bei jedem Klopfen war Saxby aufgestanden, um die Tür zu öffnen und in den Gang hinauszutreten, und sie hatte sich angestrengt, um etwas von der geflüsterten Unterhaltung zu verstehen. Um elf erschien Septima höchstpersönlich, kämpfte sich in einem prächtigen blauen Seidenkleid mit Spitzenbesatz und Perlenkette die Treppe hinauf. Der eigenen Mutter konnte Saxby schlecht den Zutritt verwehren, also ließ er sie ein. Ruth lag noch im Bett, sie fühlte sich wie eine Kranke, hatte sich jedoch Shorts und eine Bluse angezogen. »Also, ich weiß ja nun überhaupt nicht, was da vorgefallen ist«, begann Septima im heiseren Tonfall der alten Aristokratin, »aber ich nehme doch an, du hast dir nichts zuschulden kommen lassen, Ruthie – oder?«
    Ruth versicherte ihr, so sei es. »Wenn er wirklich da drin war, Septima – und es tut mir ja so leid, dass sie das schöne Holzhaus jetzt voller Löcher geschossen haben, und der Herrgott allein weiß, was mit meiner Schreibmaschine passiert ist und mit dem Manuskript, an dem ich die ganzen letzten sechs Wochen geschuftet habe –, also wenn er da drin war, das musst du mir glauben, dann war es völlig ohne mein Wissen und meine Zustimmung. Wahrscheinlich hat er sich nachts eingeschlichen. Wie hätte man das verhindern können?«
    Septima atmete tief ein. Sie richtete den Blick ihrer wässrigen grauen Augen auf etwas draußen vor dem Fenster. »Und du hast nie bemerkt, dass irgend etwas nicht mehr an seinem Platz stand? Oder dass Dinge gefehlt haben?«
    Auf diese Frage war Ruth vorbereitet. Sie lächelte gezwungen und zuckte die Achseln. »Es ist mir zwar ein bisschen peinlich«, sagte sie und wies mit einer Geste auf das Zimmer, das ein Tohuwabohu aus verstreuter Unterwäsche, Blusen, Socken, Schuhen, Büchern mit gebrochenem Rücken, Toilettenpapierrollen und zerlesenen Zeitschriften war, »aber weißt du, im Aufräumen war ich noch nie besonders gut. Ist wohl mein kreatives Naturell.« Sie blickte zu Sax. Er sah

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