Der Samurai von Savannah
Reich der unvermittelten Reaktion. Noch während die Tür quietschend aufging, steckte er sich die kalten Eisenstäbe hinten in den Gummibund seiner Hose und ließ sich schwer in einen verbogenen Gartenstuhl sinken; gleichzeitig beförderte er den anderen mit einem diskreten Fußtritt zurück in die Ecke. Dann schlug ihm die Hitze von draußen wie eine Faust entgegen, und schon waren sie da, der Sheriff und die beiden Regierungsbeamten, schoben sich misstrauisch in seine Zelle.
Eine Weile blieben die drei im Eingang stehen, beobachteten ihn, wie sie ein angepflocktes Tier beobachtet hätten. Sie schienen abzuschätzen, wie gefährlich er war und ob er unverhofft auf sie losspringen würde. Hiro saß auf seinen Eisenstäben und beobachtete sie beim Beobachten. Der Große, das Fleckengesicht, hatte kleine Nagetieraugen, rötlich und entzündet, die merkwürdigsten Augen, die Hiro bei einem Angehörigen der eigenen Art je gesehen hatte. Diese Augen hefteten sich voller Staunen und Verwunderung auf ihn. Die Augen des Sheriffs waren die eines Dämons mit weißem Gerippe, hart und scharf und blau glitzernd wie eine Klinge. Der kleine Mann – und in diesem Moment bemerkte Hiro, wie sehr er mit dem langen blonden Haar und dem Bart Doggo auf dem Foto ähnelte, trotz der militärischen Staffage ein richtiger Hippie –, der kleine Mann wirkte leicht abwesend. Der Große sah ihn ehrfürchtig an, als wäre er soeben von einem fremden Stern auf die Erde gefallen, der Sheriff musterte ihn voll des unbarmherzigen gaijin -Hasses, aber die Augen des kleinen Kerls sagten: Ich kenne das alles schon. Der Augenblick zog sich in die Länge. Niemand sagte etwas, und obwohl es geradezu nach Beachtung schrie, obwohl es über ihnen hing wie ein großer, flatternder Vogel, schien keiner das Fenster zu bemerken.
»Hier«, sagte der Kleine schließlich und hielt ihm etwas hin – eine Papiertüte, eine weiße Papiertüte mit der Aufschrift HARDEE’S in grellen Druckbuchstaben.
Hiro nahm die Tüte und setzte sie ungelenk auf dem Schoß ab. Der kleine Kerl reichte ihm noch einen Styroporbecher, der nach Kaffee roch. Hiro griff danach und neigte automatisch den Kopf, um sich für die Geste zu bedanken. Dabei spürte er, wie die schweren rostigen Stäbe sich in seine Hinterbacken gruben, und sein Herz begann zu rasen.
Zuerst sprach der Große, der mit der seltsamen Fleckenzeichnung im Gesicht. »Sheriff Peagler«, sagte er kühl und amtlich, wie ein Staatsanwalt beim Aufzählen von Beweismitteln, und der Sheriff zog die Tür ins Schloss. »Vielen Dank«, murmelte der Große und wandte sich wieder Hiro zu. Das Staunen war jetzt einem härteren, professionelleren Ausdruck gewichen. »Wir möchten Ihnen gern ein paar Fragen stellen«, sagte er.
Hiro nickte. Er konzentrierte sich auf ihre Schuhe – auf die Cowboystiefel des Sheriffs mit den Stahlspitzen, die unruhig wippenden, blitzblanken Slipper des Großen, die abgetretenen Wanderschuhe aus Wildleder, in denen die zierlichen Füße des Kleinen steckten. Die Schuhe rückten näher. Draußen, hinter der schweren Holztür, stieß ein Vogel einen schrillen, spöttischen Pfiff aus. Und dann gingen sie auf ihn los. Mit Unterstellungen, Drohgebärden, Einschüchterungsversuchen nahmen ihn die drei fast vier Stunden lang in die Mangel.
Hatte er Beziehungen zu den Roten Brigaden? Was sagte ihm der Name Abu Nidal? Wo hatte er so gut schwimmen gelernt? War ihm die Strafe für illegales Einreisen in die USA bekannt? Wie lautete sein voller Name? Welchen Vorteil hatte er sich davon versprochen, den mittlerweile verstorbenen Olmstead White zu attackieren? War es ein Einbruch gewesen? Ein Raubüberfall? Seit wann war er mit Ruth Dershowitz bekannt?
Es wurde immer heißer. Hiro beugte sich über die Papiertüte und hielt den Styroporbecher umklammert, bis die schwarze Flüssigkeit darin lauwarm geworden war. Sein hara knurrte, die Eisenstäbe bohrten sich wie spitze Feilen in sein Hinterteil. Dennoch wagte er nicht, sich zu rühren, wagte nicht einmal an dem Kaffee zu nippen – bei der geringsten Bewegung konnte der Stuhl zusammenbrechen, und er würde zwischen klapperndem Eisen und Aluminium zu Boden krachen, seine Inquisitoren würden die aus dem Fenster gebrochenen Stäbe entdecken, und was geschähe dann mit ihm? Also hielt er sich stocksteif wie ein Denkmal.
Seine Peiniger waren unersättlich. Sie wollten alles von ihm wissen, von den Schulen, die er besucht hatte, über den Mädchennamen seiner
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