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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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schaufeln.
    »Sax?«
    »Sag mir die Wahrheit!«, verlangte er. »Und erzähl keinen Mist jetzt – du hast ihm doch nicht bei der Flucht geholfen, oder?«
    Später – nach diesem Anruf konnte sie unmöglich wieder ins Bett gehen, und sie wusste ja, dass sie sie wieder ins Verhör nehmen würden, der Sheriff, Detlef und dieser kleine Kotzbrocken, aber mit dem würde sie nicht mehr reden, niemals, nie wieder – unternahm sie einen Spaziergang zum Studio hinaus, um den Schaden zu begutachten. Der bedeckte Himmel hatte alles ein wenig abgekühlt, und sie spürte im Nieselregen einen ersten Hauch von Herbst, der sie aufheiterte, aber sie war ziemlich durchnässt, als sie die letzte Wegbiegung erreicht hatte. Ehe sie noch das Studio zu Gesicht bekam, fielen ihr Kleinigkeiten auf, Stiefelabdrücke im Schlamm, hier und dort zertrampeltes Unterholz, und dann, mitten auf dem Pfad, fand sie ein halbes Dutzend Patronenhülsen: rotes Plastik, grell blitzendes Messing. Sie hob die Hülsen auf, drehte sie prüfend hin und her und warf sie dann angewidert weg. Dann bog sie um die letzte Kurve, und das Studio lag vor ihr.
    Von Weitem sah es genauso aus wie am vorvorigen Abend. Da waren die Eichen, die mit ihren langen Bärten aus Louisianamoos über dem Dach sinnierten, da waren die Fächerpalmen und die Beerensträucher, da die Verandastufen, die Tür, die einladenden Fenster. Insekten schwebten durch die Luft, Vögel schossen über sie hinweg und ließen sich in den Bäumen nieder. Scheinbar hatte sich nichts verändert. Als sie jedoch näher kam, sah sie die Glassplitter auf den verwitterten Bohlen der Veranda glitzern, sah die zerfetzten Maschendrähte vor den Fenstern und die aus den Angeln gehobene Fliegentür. Überall vor dem Haus lagen Patronenhülsen, Holzsplitter, funkelnde kleine Nuggets aus Glas. Und die Veranda erst – das Holz war dermaßen von Einschlägen durchlöchert, dass es aussah, als hätten alle Spechte Georgias sich daran versucht, und aus einem der Stützbalken war ein faustgroßes Stück weggeschossen.
    Mit einem Mal begriff sie, was das hieß – nicht als Abstraktion, nicht am Telefon mit einem Lachen in der Kehle und der Welt entrückt an den Rand des Horizonts, sondern hier in der Wirklichkeit, in der Nässe und Hitze und dem Gestank der Verwesung: Sie hatten versucht, ihn umzubringen. Die Provinzler, die Spießer, Turco und Abercorn: der Mob. Ein Schauer durchfuhr sie. Das war kein Witz mehr. Schusswaffen kannte sie aus der Nähe nur aus der vordersten Reihe im Kino – auf dem Wilshire Boulevard fuhr niemand mit dem Gewehr im Rückfenster seines BMW spazieren, dort bohrte man sich damit nicht in der Nase oder ging auf Pfeifenten- oder Wildschweinjagd, oder was immer sie hier am Ende der Welt abschlachten mochten. Aber dass jemand eine Waffe, eine richtige Schusswaffe, auf einen richtete – konnte sie sich auch nur ansatzweise vorstellen, was Hiro durchgemacht hatte?
    Im Innern war es noch schlimmer. Hier fand sie nicht mehr die Hülsen, sondern die Geschosse selbst. Die Holzpaneele waren wie mit Pockennarben übersät, das Sofakissen hatte ein großes Loch, eine ihrer Kannenpflanzen war zerfetzt worden. Glas auf dem Boden, dazwischen immer wieder deformierte Stückchen Blei, und in der Ecke lag ein umgekippter Schaukelstuhl. So ziemlich das einzige, was unversehrt geblieben war, war ihre Schreibmaschine. Sie stand auf dem Tisch, die obligate leere Seite rollte sich über der Tastatur.
    Beinahe wünschte sie, die Maschine hätte es nicht überlebt, beinahe wäre sie ihr zur Unkenntlichkeit zerfetzt lieber gewesen, die Walze zerbeult und verbogen, die Tastenplättchen verstreut wie Reis nach einer Hochzeit. Sie betrachtete die Maschine, die sie stumm anzuklagen schien, und eine bodenlose, leere, ausgehungerte Empfindung überwältigte sie – man konnte es Nervosität oder Schuldgefühl nennen, den Fluch von Schriftstellern, die nicht schreiben. »Die Tränen und die Flut« war reine Zeitvergeudung gewesen – sie hatte nicht die Kraft zum Weiterschreiben, nicht jetzt. Sie hatten versucht, ihn umzubringen. Wie konnte sie darauf angemessen reagieren?
    Aber was nun? Sie lebte in einer Künstlerkolonie, war umringt von Schriftstellern, doch seit einer Woche hatte sie keine Zeile geschrieben. Sie hatte nicht vorgehabt, heute etwas zu arbeiten – und das erwartete auch niemand von ihr –, aber ein Teil von ihr war enttäuscht, dass der Schaden nicht dramatischer ausgefallen war, umfassender und

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