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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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die totenbleichen Verfärbungen seiner Haut noch deutlicher als sonst hervortreten. Plötzlich war er unsicher. »Ich brauche ein Doppelzimmer«, sagte er.
    »Yeah, Sie meinen wohl ’n Zweibett, ja?«, erwiderte der kleine Kerl gedehnt.
    »Ein Doppelzimmer«, sagte Abercorn. »Mit zwei Betten. Eins für mich und eins für – für ihn.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter zum Auto hinüber, wo Turcos nach hinten gelegter Kopf samt Bart gerade noch über das Armaturenbrett hinausragte.
    Der kleine Kerl grinste breit und entblößte dabei die grellroten Stummel seiner Zähne. Er bückte sich, um irgendetwas in einen Papierkorb unter dem Tisch zu spucken, dann kam er wieder hoch. »Also ’n Zweibett, wie ich gesagt hab. ’N kurzen Moment lang hätt ich fast – sagen Sie, aus Clinch County sind Sie wohl nicht, oder lieg ich da etwa total schief?«
    Abercorn spürte, wie ihn die Erschöpfung wie eine Droge überwältigte, wie das Prickeln eines guten doppelten Tequila auf einen leeren Magen. Ein Japaner. Er hätte in Eagle Rock bleiben und dort Mexikaner hochgehen lassen sollen. »Aus Savannah«, brachte er heraus. »Ursprünglich aus L. A.«
    »Mm-hm, mm-hm.« Der kleine Kerl nickte heftig. »Hab ich mir gleich gedacht. Ich mein, dass Sie ’n Yankee sind – und eine Minute lang hab ich sogar schon geglaubt, dass Sie ’n bisschen, na ja, Sie wissen schon, komisch sind. Wo Sie hier ’n Doppelzimmer für zwei erwachs’ne Männer haben wollten…«
    Abercorn war schlapp und kaputt, aber ein kleiner Funken Inspiration blitzte ihn ihm auf. »Aus dem Pandschab, stimmt’s?«, fragte er.
    Der kleine Kerl strahlte. »Aus Chandigarh.«
    »Ein Zweibett. Ich brauche ein Zweibettzimmer.«
    »Gut«, sagte der Kleine, der immer noch strahlte, so sehr strahlte, dass er das ganze Zimmer erhellte. »Wir haben hier schon alle möglichen Typen gehabt.«
    Am nächsten Morgen war Turco in höchst mitteilsamer Laune, er plauderte über den Japaner, als wären sie miteinander aufgewachsen, als hätten sie ein Bett im Waisenhaus geteilt und später zwei Schwestern geheiratet. »Das ist ein schlaues Kerlchen, dieser Japse – viel schlauer, als wir gedacht haben, das ist mir jetzt klar. Erst sucht er sich diese Braut aus, die ihn durchfüttert – zwei Bräute sogar, wenn man die alte Frau mitzählt –, und dann hat er den Schneid, aus dem Gefängnis auszubrechen und sich ausgerechnet dahin zu flüchten, wo wir ihn am allerwenigsten suchen würden.« Er hielt nachdenklich inne und kratzte sich seinen frisch gewaschenen Bart. »Trotzdem, in der freien Natur kommen sie nicht gut zurecht, die Japsen – das ist ein Volk von Städtern, U-Bahnen und Tauben und so Zeug–, und letzten Endes wird er aufgeben müssen, da bin ich mir ziemlich sicher.«
    Sie saßen im Datsun und waren auf dem Weg zum Sumpf. Es hatte in der Nacht geregnet, die Straße war glitschig, aber die Sonne stand schon hoch und brannte sie in verträumten, dahinwehenden Dunstschwaden trocken. Abercorn hatte etwa vier Stunden lang unruhig geschlafen, während Turco in seiner oberhalb des zweiten Betts aufgespannten Hängematte die ganze Nacht bis in die Dämmerung hinein friedlich geschnarcht hatte. Das Frühstück hatten sie ausgelassen, so früh war noch nichts offen, abgesehen von der Hardee’s-Bude und einem Fernfahrertreff, in dem dermaßen viele schmerbäuchige, stiernackige Kerle herumhingen, dass Abercorn es nicht aushielt und nur einen Kaffee zum Mitnehmen bestellte. Turco machte das nichts aus, denn er schien in den Tiefen seines Rucksacks einen unerschöpflichen Vorrat an Wurzeln und Pökelfleisch aufzubewahren. Auch jetzt hatte er wieder eine Plastiktüte im Schoß, in der sich etwas befand, das wie getrocknete Guppys aussah. Von Zeit zu Zeit fuhr er mit der Hand in die Tüte und mampfte die Dinger wie Popcorn.
    »Und wenn du jetzt an Discomusik und Designerklamotten denkst, dann werden die bei diesem Burschen nichts nützen«, fügte Turco hinzu, als wären der Gettoblaster und die Boutiquenjeans Abercorns Idee gewesen. »Nein, da werden wir uns noch ein paar bessere Tricks ausdenken müssen.« Er kratzte sich den Bart, worauf sich ein leises Geriesel von zerbröckelten Guppys in seinen Schoß ergoss.
    Abercorn blickte beiseite. Seit seiner Unterhaltung mit Roy Dotson machte ihm die Frage nach Saxbys Rolle schwer zu schaffen. Er mochte Saxby, wirklich. Und er traute ihm auch nicht zu, einem Verbrecher wissentlich Beihilfe zu leisten, noch dazu einem

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