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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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versuchte ihm zu erklären, dass die Zeitung immer erst mit einem Tag Verspätung auf Thanatopsis House eintraf, aber Bluestone redete ihn einfach nieder und zitierte in ätzendem Tonfall einige Schlagzeilen: »›6 Wochen auf der Flucht, 6 Stunden in Haft‹; ›1:0 für Japaner gegen INS ‹; ›Gefängnisausbruch auf Tupelo Island – Kinderspiel für illegalen Einwanderer‹.« Und was war das für eine Geschichte, dass Lewis Turco irgendeine Frau tätlich angegriffen und mit wilden Anschuldigungen überschüttet hatte – konnte diese Frau die Behörde etwa verklagen? Jedenfalls war das eine miese Art, eine Untersuchung zu führen, erbärmlich mies.
    Abercorn hatte dem nichts entgegenzuhalten, höchstens dass »erbärmlich mies« noch recht milde ausgedrückt war. Er hätte Entschuldigungsgründe anführen können – den Verdächtigen hatten ja die Leute des Sheriffs entkommen lassen; er hatte niemanden tätlich angegriffen, und für Turco konnte er nicht sprechen; alle Leute hier unten redeten wie Schafhirten und hatten auch einen entsprechenden IQ –, aber er unterließ es. Er sagte nur: »Ich werde mein Bestes tun, Sir.«
    Bluestone kommentierte dies mit der Bemerkung, sein Bestes sei noch viel zu wenig. Bei Weitem zu wenig.
    »Ich werde mein verdammt-noch-mal Bestes tun, Sir«, sagte Abercorn.
    Am anderen Ende der Leitung entstand eine Pause. »Tun Sie das«, sagte Bluestone schließlich. »Aber wenn Sie ihm diesmal Handschellen anlegen, dann fesseln Sie den Mann gleich an Ihr eigenes Handgelenk. Und tun Sie mir einen Gefallen –«
    »Ja?«
    »Verschlucken Sie danach den Schlüssel, ja? Damit er mit Ihrer restlichen Scheiße wieder rauskommt.«
    Von dem zweiten Anruf, dem von Roy Dotson, hatte er erst um vier Uhr nachmittags erfahren. Kein Wunder, denn er war draußen in der Wildnis von Tupelo Island und gründelte dort in den Schlammtümpeln herum, als hielte das noch irgendjemand für sinnvoll. Sie waren längst im siebenten Himmel, hätten sie nach Fröschen gesucht. Oder nach Moskitos. Das Thermometer stand auf achtunddreißig Grad, die Sonne war direkt im Zenit knirschend zum Stillstand gekommen, und er glaubte schon, er würde gleich am Gestank ersticken, als einer von Peaglers Hilfssheriffs herangeplatscht kam und die Neuigkeit überbrachte, dass sie hier ihre Zeit verschwendeten. Der gesuchte Japaner war von der Insel geflohen. Und wo war er jetzt? Hockte er in der Hütte eines Kleinbauern? Trampte er nach Jacksonville? Schaufelte er sich in einer Sukiyaki-Bar im Zentrum von Atlanta mit Stäbchen eine Schüssel Rindfleisch mit Zwiebeln rein? Nein. Er war wieder einmal in einem Sumpf – in einem Sumpf, neben dem dieser hier das reinste Kneippbecken war.
    Und so kam Abercorn ins »Tender Sproats« nach Ciceroville/Georgia, dem Tor zur Wildnis des Okefenokee. Es war halb acht Uhr abends, und die Neonreklame blinkte vor dem dunkler werdenden Himmel in einem halbherzigen Versuch, Zivilisation vorzugaukeln. Lewis Turco schlief auf dem Beifahrersitz und stank wie eine Kläranlage. Sein Tarnanzug und die Stiefel waren schlammverkrustet, Bart und Haare völlig verklebt. Wegen der Dershowitz-Geschichte hatten sie ziemlich Streit gehabt und den ganzen Tag keine zehn Worte miteinander gewechselt. Nachdem die Nachricht über Tanaka eingetroffen war, hatte Turco seinen Stock fallen lassen (er hatte gerade auf den Busch geklopft, im wahrsten Sinne des Wortes), sich ohne ein Wort umgedreht und war zum Großen Haus zurückgestapft, wo er seine Sachen in den Datsun warf und es sich auf dem Beifahrersitz bequem machte. Als Abercorn kam, schlief er wie betäubt.
    Abercorn fuhr bei der Rezeption vor und schaltete den tuckernden Motor ab. Er hatte vor einzuchecken, kurz zu duschen, einen Kaffee zu trinken, sich mit dem hiesigen Sheriff ins Einvernehmen zu setzen und Roy Dotson einen Besuch abzustatten. Dann wollte er ein paar Stunden schlafen und am Morgen die Jagd wieder aufnehmen. Das war der Plan. Aber er war müde, hundemüde, und er roch selbst nicht allzu frisch.
    Der Mann in der Rezeption war ein kleiner, dunkler Typ mit den schmalen Schultern und den dürren Gliedmaßen eines Kindes. Er hatte allerdings den Bauch eines Erwachsenen, einen ziemlich wohlgenährten, und trug ein Kastenzeichen unter dem verschwitzten Schirm seiner Schiebermütze. Der Blick der glitzernden dunklen Augen war direkt auf Abercorns Gesicht gerichtet – er hatte sich draußen im Sumpf verbrannt, dass wusste er, und der Sonnenbrand ließ

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