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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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IAADA , aber es sah ziemlich schlecht für ihn aus. Ruth war zu allem fähig – wie er aus eigener Erfahrung wusste –, und sie könnte ihn dazu angestiftet haben. Ohne Weiteres. »Was hältst du von Saxby, Lewis? Ich meine, was seine Rolle in der ganzen Geschichte angeht?«
    Turco drehte sich um und sah ihn scharf an. »Von wem?«
    »Saxby. Du weißt doch, von Ruth – ich meine, von der Dershowitz – der, äh –«
    »Ach der. Klar. Der ist schuldig. Genauso schuldig wie sie. Glaubst du etwa, es ist purer Zufall, dass er diesen Japsen hier rausschafft und ihn dann freilässt wie Br’er Rabbit im tiefen Wald? Soll wohl ’n Witz sein. Der Kerl ist ebenso schuldig wie Charlie Manson oder Adolf Hitler – wenn nicht, wozu macht er dann eine Expedition mitten in den Okefenokeesumpf?« Er griff tief in seine Tüte mit Trockenfisch. »Die ganze Sache stinkt, wenn du mich fragst.«
    Vor einiger Zeit waren sie an dem Schild vorbeigefahren, das sie im »Stephen C. Foster State Park« begrüßte, aber bis jetzt gab es keinerlei Anzeichen, dass außer der Straßenbaubrigade irgendwer schon vor ihnen da gewesen war. Die Straße schnitt eine vollkommen gerade Linie durch die Nässe und das Grün, ein so absolutes Grün, dass Abercorn ab und zu zum Himmel aufblicken musste, um zu überprüfen, auf welchem Planeten er sich befand. Er nahm an, dass manche Leute diese Gegend schön oder inspirierend oder sonst was fanden, aber für ihn war es nichts als eine weitere Strapaze – seinetwegen hätten sie aus der ganzen verfluchten Gegend einen Parkplatz machen können. Er musste immer wieder an Saxby denken und daran, wie peinlich es sein würde, ihm Handschellen anzulegen, falls es so weit kam. Abgesehen von Saxby dachte er an den Japsen – ja, einen Japsen nannte er einen Japsen, zum Teufel mit der Etikette seiner Behörde – und fragte sich, ob er den Rest des Lebens damit verbringen sollte, sich einen Sonnenbrand in drei verschiedenen Farben zu holen und seine Ohren von Moskitos abfressen zu lassen, die so groß wie Kolibris waren. (Auch das nagte an ihm: Weshalb ausgerechnet die Ohren? Seine auch sonst nicht eben kleinen Ohren waren auf das Doppelte ihrer normalen Größe angeschwollen und sahen aus wie an seinem Kopf befestigte Salamischeiben.) Er fuhr weiter und versuchte, sich nicht im Rückspiegel zu betrachten.
    Endlich tauchten doch ein paar Gebäude auf – lang gezogene, niedrige Holzhäuser, ein Museum, ein Touristenzentrum –, und dann bog er auf einen Parkplatz ein, wo bereits eine Phalanx von Polizeiautos, zwei Feuerwehrwagen und eine Ambulanz standen. Außerdem war der Parkplatz mit Wohnmobilen und Pritschenwagen vollgestopft, und überall standen Menschen, obwohl es noch früh war, sehr früh, so früh, dass es eigentlich noch fast Nacht war. Die Menschen tummelten sich zwischen den Booten, spähten in die Fenster der Polizeiautos, drehten Feldstecher in den Händen, frühstückten aus Picknickkörben, hoben Flaschen in braunen Papiertüten an die Lippen. Barfüßige Kinder rannten über den Asphalt, versuchten in der unbewegten Luft Drachen steigen zu lassen, ein alter Mann saß auf dem Rücksitz eines Jeeps und sah fern, eine Frau mit dicken, fleischigen Armen und Brüsten entstieg einem klapprigen Ford, in der Hand einen Vogelkäfig, den sie mitten auf dem Parkplatz auf den Boden stellte. Es war verrückt. Wie das Volksfest am 4. Juli oder der Auftakt zu einem Popkonzert, nur schlimmer. Abercorn spürte, wie ihm flau im Magen wurde.
    »Lewis, glaubst du etwa, all diese Leute –?«, begann er, aber der Gedanke daran, die Angst davor, verschnürte ihm die Kehle, und er konnte nicht weitersprechen. Diese Leute hier waren nicht nur glückliche Camper und Urlauber, die um sieben Uhr morgens an einem ganz gewöhnlichen Tag rein zufällig hier zusammengekommen waren. Nein. Sie versammelten sich hier wie am Ort jeder Katastrophe, geduldig wie Geier. Sie warteten auf Blutvergießen, Gewalttaten, Verbrechen und Verzweiflung, warteten auf Exzesse und Erniedrigung, auf die Formel, die den Stumpfsinn in ihrem Leben auflösen könnte. »Aber wie konnte sich das bloß herumsprechen, verdammt noch mal? Wir haben das mit dem Japsen – äh, mit dem Japaner, äh, mit dem Japsen – doch selbst gerade erst rausgefunden. Oder?«
    Turco antwortete nicht, aber er blickte grimmig drein.
    In dem Augenblick, als Abercorn die Tür öffnete, löste sich ein kleines Grüppchen aus der Menge und kam auf ihn zu. Er hatte die Leute

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