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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Verlegenheit und Hass: Sie hatten sie nicht einmal zu Ende lesen lassen –, und ein matter, verwirrter, unwillkürlicher Applaus weckte alle im Raum vollends auf. Sie las es in ihren Blicken – schnell etwas trinken , dachten sie, vielleicht nur ein Glas, und dann ab ins Bett. Irving stand auf, um ihr zu gratulieren; Septimas Kopf kam ruckartig hoch, und die milchiggrauen Augen fixierten mit Mühe einen Punkt.
    »Na, La D., Ruthie«, dröhnte Irving und schloss sie in seine breiten Arme, »das war ja ziemlich stark. Bist fantastisch, Mädchen.« Hinter ihm stand Sandy und lächelte schwach, neben ihm Brie, die sich haltsuchend an ihn klammerte und nach einem netten Wort rang. Und noch weiter hinten sah sie, wie Jane Shine sich von der Couch erhob, sich rekelte und theatralisch gähnte, ihren Haarschopf in diese und in jene Richtung warf und irgendein gemeines Witzchen mit Mignonette Teitelbaum und Orlando Seezers wechselte, der blinzelte, seine glasigen Augen rieb und sich schnäuzte. Die drei brachen in ein Lachen aus, das wie berstendes Metall klang, und dann warf Jane ihr Haar zurück, sodass Ruth sehen konnte, was sie anhatte.
    Ruth spürte einen glühenden Stich in ihrem Inneren. Das war kein Hausanzug, keine Tunika und keine Djellaba, hier ging es nicht um eine modische Aussage – nein, was Jane Shine da trug, war eine Beleidigung, ein Schlag ins Gesicht, die entscheidende, vernichtende Antwort auf Ruths kraftlose Parade: Sie trug ihren Pyjama. So einfach war das: Jane hatte sich zum Einschlafen angezogen.
    Ruth sah weg, aber der Schaden war bereits angerichtet. Der Abend wurde zur Katastrophe, sie stürzte aus dem Thanatopsis-Himmel zur Erde, zu Asche verbrannt wie ein armer, erloschener Meteor, und sie musste ständig daran denken, wie sich die anderen im Billardzimmer hemmungslos über sie kaputtlachen würden.

HAHA
    Die Jeffcoats verschwanden, wie sie gekommen waren: auf schimmerndem Licht. Hiro sah ihnen nach, bis sie außer Sichtweite waren, bis die eintauchenden Paddel, das glänzende Boot und die kräftigen, eckigen, rhythmisch arbeitenden Schultern vom gnadenlosen Grün der Ufer verschluckt worden waren. Sie waren unterwegs zurück zur Anlegestelle, dorthin, wo feuergesichtige hakujin über ihrem Fang kauerten und die Sheriffs und Parkwächter unter den breiten Krempen ihrer Hüte mit dem Finger am Abzug lauerten. Sie befanden sich auf einer Rettungsmission, sie hielten sich nicht an die geheiligte Marschroute und änderten ihren Zeitplan für ihn, Seiji Chiba, den chinesischen Touristen, der von Krokodilen angegriffen worden war.
    Hiro fühlte sich etwas benommen. Er ließ sich auf der Plattform neben der Tüte mit Essen nieder, das sie ihm dagelassen hatten, und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Kurve, hinter der sie entschwunden waren. Schon bald würden sie ihn hassen. Mit offenen Mienen und vertrauensvollem Blick würden sie an den Pier herangleiten, erstaunt und unsicher witzelnd über das Polizeiaufgebot, das sie dort erwartete, über die kläffenden Hunde, die heulenden Motoren, die grimmig vorgeschobenen Kiefer. Da draußen ist jemand in Not , würden sie sagen. Wo? , würden die Sheriffs bellen, wo ist er? Plattform auf der roten Route , käme die Antwort von Jeff Jeffcoat, wieso, stimmt etwas nicht? Ein Ausbrecher ist das , würden die Sheriffs fauchen. Ein Japse und ein Brandstifter noch dazu. Hat ’n paar Leute tätlich angegriffen, vielleicht auch einen armen unschuldigen alten Schwarzen umgebracht. Aber nein , würde Jeff Jeffcoat einwenden, das stimmt ja alles gar nicht, der Mann ist als Tourist hier, sein Boot ist gekentert. Zum Teufel noch mal , würde Jeff Jeffcoat sagen, außerdem ist er Chinese.
    Bald würden sie hinter ihm her sein, würden auf diese Plattform zusteuern wie thermosensible Lenkwaffen, wie Racheengel. Er musste sich aufraffen. Musste wieder zurück in den Schlamm und das schultertiefe Wasser, musste zurückkriechen in den dunklen Schlund des primitiven Amerika. Aber er fühlte sich entnervt und geschwächt, als wäre aller Kampfgeist aus ihm gewichen und als wäre Jōchō nur ein verrückter, sabbernder unbedeutender Mönch. Er war krank, jetzt wurde es ihm klar. Er hob die Hand an die Stirn und fühlte das Fieber in sich brennen. Und dann brannte es in seinen Innereien, etwas bohrte in ihm wie Mishimas Schwert, und er krümmte sich zusammen und kotzte das Corned Beef, den Ketchup, den Kaffee und die Eier, das Nudel-Schnellgericht, die Kartoffelchips und

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