Der Samurai von Savannah
ihm, funkelnd wie ein Weihnachtsbaum, saß Jane Shine, angetan mit einem flammenden Seidenhalstuch und einer überdimensionalen Sonnenbrille. Der gemietete winzige Gepäckanhänger, ein Symbol für alles, was schmuddlig und bieder war, für überhastete Umzüge und spießige Möbel, hätte Ruth in einem anderen Kontext zwar unendliche Genugtuung bereitet, aber angehängt an diesen schimmernden, flachen Wunderwagen mit silbernen Kotflügeln, strahlte er beinahe einen gewissen Chic aus.
»Jane ist da!«, rief Thalamus, und seine Stimme klang wie ein erstauntes Quietschen, als hätte er jemand anders erwartet, dann rutschte sein Arm von Ruths Schulter, und er riss die Tür auf, um auf die Veranda hinauszustürmen. Gleichzeitig sprang der athletische junge Mann mit dem kantigen Kinn aus dem Auto, um Jane die Tür aufzuhalten. Ruth registrierte resignierend, dass dieser Mann, Janes Begleiter, groß und muskulös war wie ein Wikingerkapitän und dass Jane keineswegs fett geworden war, wie diverse Gerüchte ihr angedichtet hatten, sondern so schick und gut aussehend und jugendlich wie ein Mädchen aus der High-School-Tanzgruppe, die noch vom Wunder des eigenen Körpers überrascht ist. »Willkommen, willkommen!«, dröhnte Thalamus und schritt mit weit ausgebreiteten Armen die Treppe hinab, als hätte er jeden Mauerstein des großen Hauses persönlich gesetzt, als wäre er darin geboren und aufgewachsen, ganz der aristokratische Südstaatenpflanzer, Experte für Rennpferde und Bourbon, ein richtiger Colonel Thalamus. »Willkommen im Herzen von Dixieland!«
Ruth wartete die lange, lüsterne Thalamus/Shine-Umarmung gar nicht erst ab, und sie wollte auch nicht zusehen, wie der nordische Sklave den Anhänger aufklappte und ihm mehr Gepäck entnahm, als Königin Victoria auf ihren Rundreisen durch das Empire mitzunehmen pflegte, und schon gar nicht stand sie ergeben in der Halle, um ihre frühere Workshop-Kommilitonin zu begrüßen und ihr zu ihrem Erfolg zu gratulieren, wenn diese in der schwitzenden Umarmung einer Legende der jüdisch-amerikanischen Literatur triumphierend die Treppe heraufkam. Nein. Nicht Ruth. Im selben Moment, als Thalamus zur Tür hinausstürmte, drehte sie sich um und rannte die Treppe hinauf, den Korridor entlang und in ihr Zimmer, wo sie sich mit dem Gesicht nach unten auf das Bett warf, als hätte sie einen Pfeil zwischen den Schulterblättern stecken. Und während sie dort lag, wurden die Schatten länger, und im Erdgeschoss löste das fröhliche Klappern von Essbesteck auf Porzellan das Cocktailgeplauder ab; so lag sie und lauschte mit überempfindlichen Ohren und pochendem Herzen auf das diskrete Scharren und Schieben, das der nordische Sklave verursachte, während er Jane Shines Sachen ausgerechnet in das Zimmer neben ihrem einräumte – in das geräumige, sonnige Doppelzimmer voller Antiquitäten, das die ganze Zeit über leer gestanden hatte. Sie lauschte wie ein Kind beim Versteckspiel – aus einem Versteck, das so gut ist, dass die anderen langsam das Interesse verlieren und einen vergessen, obwohl sie immer noch an dem Versteck vorbeilaufen –, sie lauschte, bis die Geräusche des Abendessens leiser wurden und der Sportwagen spotzend ansprang, um in die Vergessenheit davonzurumpeln.
Sie musste eingeschlafen sein. Es war fast acht, als Saxby sie abholen kam, und sie musste sich in aller Eile umziehen, wenn sie die Fähre zum Festland noch erwischen wollten. An den Sommerwochenenden ging um Mitternacht eine Fähre zurück auf die Insel, und damit hätten sie nach der Schiffspassage und der Fahrt zum Restaurant etwa zwei Stunden Zeit, um ein paar Cocktails zu trinken, gut zu essen und sich zu entspannen. Ruth fand, sie brauchte das. Beim ersten Cocktail – einem perfekten Manhattan mit Zitronenscheibe – dachte sie sogar daran, Saxby zu beschwatzen, irgendwo an der Küste ein Motelzimmer für die Nacht zu nehmen, doch sie verwarf den Gedanken wieder. Früher oder später würde sie Jane Shine gegenübertreten müssen, und dann lieber gleich an diesem Abend, im Billardzimmer, auf sicherem Boden.
Sie bestellte einen zweiten Cocktail und ein halbes Dutzend Austern, und ihre Laune besserte sich. Das Restaurant war dabei eine große Hilfe. Es war ein würdevolles, elegantes Restaurant in einem zweihundert Jahre alten Gebäude auf Sea Island, stinkfeudal, drei Sterne von Michelin, eine Weinkarte vom Umfang eines russischen Romans. Und Saxby – Saxby war ein Schatz. Er war verschmitzt und
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