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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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verlässlich und gut aussehend, das Kerzenlicht spielte sanft auf dem goldenen Heiligenschein seines Haarschopfs, er ließ sie nicht aus den Augen; er war aufmerksam, charmant und sexy und mehr wert als zehn nordische Hünen mit Jaguar. Wenn das Bild von Jane Shine aus der Suppe vor ihr aufstieg, aus einem frischen Baguette oder einem Happen écrevisse , verbannte er es mit einem Scherz, einem Kuss, einer Berührung genau an der richtigen Stelle. Und dann, sie waren mitten beim Essen, brachte er einen Toast aus.
    Ruth genoss gerade den läuternden Kitzel eines glace aus Grapefruit und Limone, als neben ihr ein Kellner mit einer Flasche Champagner erschien. Sie blickte zu Saxby auf. Er strahlte sie an. Sie spürte eine große Wonne in sich aufsteigen, als sie miteinander anstießen – er war so ein Gemütsmensch, wie er immer wieder diese zeremoniellen Gesten vollzog, sie daran erinnerte, dass sie schon achtzehn Wochen zusammen waren, oder zweiundzwanzig oder wie viele es gerade waren –, doch diesmal überraschte er sie. »Auf Elassoma okefenokee «, sagte er.
    »Auf wen?«
    »Trink«, sagte er.
    Sie trank.
    »Auf Elassoma okefenokee «, wiederholte er, »den Okefenokee-Zwergsonnenbarsch.« Er goss ihr nach. Sein Grinsen war wild und alarmierend, das Grinsen eines Mannes, der im nächsten Augenblick vom Tisch aufspringen konnte, um mit einem der Kellner Walzer zu tanzen. »Nicht zu verwechseln mit Elassoma evergladei «, fügte er hinzu, wobei er die Stimme vertraulich senkte.
    Am Nachbartisch schnäuzte sich ein älterer Herr nachdrücklich. Sehr deutlich nahm Ruth die leisen Schmatz- und Kaugeräusche im Raum wahr, das Perlen von gedämpftem Lachen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »Mein neues Projekt, Ruth«, erklärte Saxby und senkte erneut den schmalen grünen Flaschenhals über ihr Glas. »Der Zwergsonnenbarsch. Er ist auch so schon selten genug, weil er überhaupt nur hier zwischen dem Altamaha und dem Choctowhatchee River vorkommt, aber ich suche nach etwas noch Seltenerem.« Er hielt inne und ergriff ihre Hand. Seine Augen fixierten sie mit einem wilden Ausdruck. Sein Grinsen war das eines Irren. »Nach den albinotischen Exemplaren.«
    Ruth spürte die Wirkung des Weins. Sie hob ihr Glas. »Auf die Albinos!«, juchzte sie.
    Saxby achtete kaum darauf. Er war jetzt ganz ernst, gestikulierte, plapperte weiter von seinem Zwergensonnenbarsch und davon, dass Soundso als erster das Albinismusphänomen beschrieben hatte und dass die Biologen von der Georgia State University gelegentlich einen einzelnen in ihren Netzen auf dem St. Mary’s River fingen und dass er, Saxby, sie einsammeln und züchten wollte, den spiegelglatten Weiher vor dem großen Haus in einen Fischteich verwandeln würde, von wo er die Tiere an Aquarienliebhaber auf der ganzen Welt verschicken könnte. »Die versorgen sich alle in Afrika und Südamerika«, sagte er, »aber wir haben eine Goldmine hier, im Lake Okefenokee und im St. Mary’s Lake. Denk doch nur, Ruth. Denk doch nur mal.«
    Diese Aufforderung machte ihr Probleme. Sie dachte nicht an Fische – was sie anging, so existierten Fische einzig und allein dazu, gekocht, gebraten oder frittiert zu werden –, aber an Jane Shine dachte sie auch nicht mehr. Saxbys Stimme lullte sie ein, der Wein war gut, das Essen noch besser, das Rauschen der Brandung klang sanft und getragen hinter den glänzenden Streifen der Jalousien. Sie trank auf das Wohl von Saxbys Projekt, und sie meinte es aufrichtig. Als die erste Flasche leer war, bestellten sie eine zweite.
    Später, als sie am Bug der Tupelo Queen standen und den flachen dunklen Klumpen der Insel aus der undurchdringlichen Schwärze des Peagler Sound auftauchen sahen, da fühlte sie Kraft in sich aufwallen. Jane Shine. Was kümmert es sie denn, wenn sie von Jane Shines umzingelt war? Sie hatte ja Saxby, sie hatte Hiro (er würde zurückkommen, natürlich würde er das), sie hatte das große Haus und das Billardzimmer, und sie hatte ihre Arbeit. Sie fühlte sich voller Energie, aufgeschlossen, großzügig, bereit, die kleinlichen Eifersüchteleien zu begraben, die all die Jahre an ihr genagt hatten. Kunst war kein Wettrennen. Es gab keine Sieger oder Verlierer. Schriftsteller wurde man um des Werkes willen, um der Freude am Erschaffen einer Welt willen, und wenn jemand anders – zum Beispiel Jane Shine – dazwischentrat und alle Preise gewann, ganze Zeitschriftenseiten an sich riss, das beste Zimmer auf Thanatopsis House eroberte

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