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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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zu überraschen, obwohl er ständig dort gesessen und ihr bei der Arbeit zugesehen hatte –, und von Jane Shine, die nach Thanatopsis House gekommen war, um Ruth ihren Platz streitig zu machen. Hiro nahm Anteil. »Sehr böse Situation, Rusu – nie sich im Kreis herumstoßen lassen.« Und dann erzählte er ihr von Chiba und Unagi und seinen Traum von der Stadt der brüderlichen Liebe.
    Im Sommer legt sich die Dunkelheit sehr rasch über die Inseln. Die Sonne erbleicht, das dichte Grün der Vegetation verblasst zu Grau, und die Nacht fällt herab wie ein Vorhang. Sie aßen, sie unterhielten sich; bald wurde die Dunkelheit vor den Fenstern von Glühwürmchen durchbohrt, und Ruth erkannte Hiros Gesichtszüge kaum noch. »Ich helfe dir, wenn ich kann«, sagte sie schließlich. »Vermutlich macht mich das zur Helfershelferin oder so, aber ich werde mir noch etwas ausdenken, wie ich dich von der Insel runterbringe und in irgendeinen Zug oder Bus setze, damit du nach Norden fahren kannst.« Sie zündete sich eine Zigarette an, das Streichholz flackerte kurz in der Finsternis auf. »Deine Stadt der Brüderlichen Liebe findest du wahrscheinlich nicht, aber in New York kannst du wenigstens untertauchen – so viel steht fest.«
    Hiros leise, verunsicherte Stimme drang aus der Dunkelheit an ihr Ohr. »Niemals kann ich zahlen meine Schuld zurück, Rusu, nicht einmal in hundert Jahren.«
    »Vergiss es«, sagte sie, »du würdest für mich dasselbe tun – jeder würde das.« Sie war sich nicht ganz klar, was sie damit sagen wollte, aber sie spürte seine Verlegenheit, irgendeine japanische Macho-Tour vermutlich, und sie redete nur, um davon abzulenken. Um das Thema zu wechseln, fragte sie ihn, ob er eine Zigarette wolle.
    »Nein, danke sehr«, sagte er. Seine Stimme wurde noch leiser. »Aber wie, Rusu, wie ich kann weg von dieser Insel?«
    Sie hatte keinen Schimmer. Sie selbst besaß kein Auto, und nach dem Gesicht zu urteilen, das Sax in jener Nacht auf dem Meer gezogen hatte, konnte sie gerade ihn nicht in ihr Geheimnis einweihen. Oder doch? »Ich weiß nicht«, sagte sie, und in diesem Augenblick wurde ihr klar, dass ihr gar nicht so viel daran lag, ihn aufs Festland gelangen zu lassen, einstweilen jedenfalls noch nicht. »Aber du darfst es nicht riskieren, hier wegzugehen – aus dem Studio, meine ich. Verstehst du? Sie sind hinter dir her – die ganze Insel. Und die beiden Männer – die mit der Disco-Musik –, die kommen wieder. Das weiß ich ganz genau.«
    Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, da zuckte Hiro zusammen. »Pssst, Rusu«, sagte er, »was war denn das?«
    »Was?«
    »Psssst! Hör doch!«
    Und dann hörte sie es auch: das Knacken von Zweigen, die Schritte auf dem Pfad. Plötzlich richtete sich ein Licht auf die Außenwand des Studios, und Hiro warf sich platt auf den Boden.
    »Ruth? Bist du da?«
    Saxby.
    Im nächsten Moment war sie auf den Beinen – »Ja, ja, hier bin ich«, rief sie und versuchte, möglichst nonchalant zu klingen, obwohl ihr Herz fast ein Loch durch die Rippen schlug –, und dann war sie an der Tür und fing ihn auf der Schwelle ab.
    Er trug ein T-Shirt und Jeans, und das Haar hing ihm in die Stirn. Er hielt eine Taschenlampe in der Hand und richtete den Lichtstrahl seitlich auf ihr Gesicht. »Ich hab überall nach dir gesucht«, sagte er.
    In ihrem Kopf herrschte totaler Kurzschluss. Sie konnte nicht klar denken. »Ich war hier«, stellte sie fest.
    »Und was machst du hier?«, sagte er. »Im Dunkeln herumsitzen? Hast du nicht gerade mit jemandem gesprochen?«
    »Ich arbeite«, sagte sie.
    »Im Dunkeln?
    »Ich habe nachgedacht. Laut nachgedacht.«
    Er sagte nichts, aber nach kurzem Grübeln ließ er die Lampe sinken und legte einen heiseren Ton auf. »He«, sagte er, »du bist echt komisch, weißt du das, Ruth Dershowitz?« Und dann packte er sie, die Fliegentür stand sperrangelweit offen, und der Lichtkegel seiner Taschenlampe hüpfte hektisch auf der Zimmerdecke herum. »Aber das gefällt mir ja so an dir.«
    Sie sträubte sich ein bisschen, dann ließ sie sich von ihm küssen und umarmen. »Komm, gehen wir, Sax«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Gehen wir zurück zum Großen Haus.« Pause. »Irgendwie ist mir jetzt gar nicht mehr nach arbeiten.«
    Er küsste sie wieder, fest und drängend. »Machen wir’s uns doch gemütlich«, sagte er und legte ihr eine Hand auf die Brust.
    »Nicht hier«, sagte sie.
    »Auf der Couch«, flüsterte er, schaltete die Lampe aus und ließ sie

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