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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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dachte sie an Hiro und zählte die Tage, bis Jane Shine sich mit ihrem literarischen Monstrositätenkabinett wieder nach Hause zurückziehen würde.
    Gegen Ende der Woche tauchten erneut Abercorn und Turco auf, unvermeidlich wie Reklamepost. Seinen Gettoblaster hatte Turco diesmal zu Hause gelassen – die Sache war ernst geworden, jetzt hatte er eine neue, unfehlbare Technik, es würde garantiert klappen. Er schlug sein Biwakzelt in einem Gebüsch hinter dem Rasen auf der Nordseite auf, Abercorn war eine winzige Kammer im zweiten Stock zugewiesen worden (wie er es überhaupt geschafft hatte, Septima zu beschwatzen, ihn nochmals aufzunehmen, war Ruth ein Rätsel). Ruth kam gerade die Treppe vor dem Haus hinauf, ausgepumpt, aber gut gelaunt, nachdem sie den ganzen langen Nachmittag hindurch gearbeitet hatte und ihrer Meinung nach wirklich gut mit der Novelle vorangekommen war, da sah sie durchs Fenster Turco in der Halle stehen. Er trug Kampfanzug und Schnürstiefel, und er hatte gerade Laura Grobian gegen die Treppe gedrängt und wedelte ihr mit irgendetwas vor dem Gesicht herum. Ruth zögerte – Hiro? , dachte sie, aber sie konnte sich schlecht wieder davonstehlen, ohne Verdacht zu erregen, also riss sie sich zusammen und rauschte durch die Tür, als wäre alles in bester Ordnung.
    Laura Grobian sah mit einem gefrorenen Lächeln zu ihr hinüber. Sie überragte Turco um gut zehn Zentimeter. »… und in der Robotertechnik«, sagte Turco gerade knurrend, »warum glauben Sie denn, dass unsere japanischen Freunde da führend sind? Gerissen sind die, weiter nichts. Gar keine Frage. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, meine Beste, wir werden diesen Burschen schon kriegen, dauert höchstens noch eine Woche, würde ich sagen, wenn’s hochkommt –«
    »Hallo, Laura«, sagte Ruth, schritt quer durch die Halle, um einen Blick in die Postfächer zu werfen, bevor sie herumwirbelte und die beiden ansah, »ach, Mr. Turco. Wieder zurück?«
    Turco ließ von Laura Grobian ab und wandte sich Ruth zu. Zuerst drehte er den Kopf, dann schwenkte er den Oberkörper herum, und schließlich setzte er die Beine um, wodurch Ruth unwillkürlich an ein Chamäleon denken musste, das ein Insekt aufs Korn nimmt. Er zögerte kurz, als müsste er sie erst einordnen, dann tat er einen Schritt auf sie zu und hielt den Gegenstand hoch – irgendein Kleidungsstück aus Baumwolle, das sah sie jetzt –, mit dem er schon vor Laura Grobian herumgewedelt hatte. »Ich habe der Dame hier gerade gesagt, dass wir in der Sache mit diesem Ausländer zwar momentan ziemlich alt aussehen, aber keine Angst – wir sind ihm dicht auf der Spur.«
    Die Adern an Turcos Hals traten hervor. Das Tarnhemd klebte ihm an Brust und Armen wie eine Körperbemalung, und den stechenden Blick hatte er ganz offensichtlich lange geübt, ein kleiner Mann, der sich um Effekt bemühte. Ruth konnte sich nicht beherrschen: »Keine Donna Summer diesmal?«
    Leise Wut flackerte kurz in seinem Blick auf, verflog aber gleich wieder. Er trat noch einen Schritt vor, drang in ihre Sphäre ein. »Eine Falle«, sagte er und breitete das Kleidungsstück aus. Es war ein modisches T-Shirt mit einem schicken Designernamen vorne drauf. »Das hier ist der Köder – das und ein paar – raten Sie mal: Jeans, dazu vielleicht noch etliche Schals und T-Shirts mit so blöden Aufschriften wie BE HAPPY oder KEEP ON TRUCKIN ’. Hauptsache englisch. Da werden alle Japsen schwach.«
    »Entschuldigen Sie mich«, flüsterte Laura Grobian und verschwand zur Tür hinaus, in die goldene Umarmung der Nachmittagssonne. Turco drehte sich nicht einmal um. Er stand einfach da, ganz dicht vor Ruth, in den Adern an seinem Hals pulsierte es, und fixierte sie mit starrem Blick. »Funktioniert garantiert«, sagte er. »Glauben Sie mir.«
    Ruth bedachte ihn mit einem munteren Lächeln. Turco und Abercorn, diese zwei unfähigen Clowns, hatten ungefähr so gute Chancen wie Laurel und Hardy, Hiro zu fangen. Sie würden Ruth nur eine weitere Gelegenheit für Ablenkungsmanöver bieten, sie wären noch ein Keil, den sie zwischen Jane Shine und die Kolonie treiben konnte, noch ein Vehikel, das ihre Pläne weiter voranbrachte. Ein paar Tage lang würden sie herumstochern, ohne etwas zu finden. Keine Spur. Und jeden Abend, wenn Sax anderweitig beschäftigt war, würde sie vor Abercorn, dem armen Idioten, mit den Augen klimpern, ihn trösten, mit ihm mitfühlen, sich versonnen den Zeigefinger in die Wange bohren und ihm alle

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