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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in die rechte Hand, kam mit tänzelnden, in krassem Gegensatz zu seiner Größe und Körpermasse stehenden Schritten um den Tisch herum und trieb mich Schritt für Schritt zurück. Ich biß mir nervös auf die Lippen. Der Riese spielte nur mit mir. Gegen die ungeheuren Kräfte, über die dieser mehr als zwei Meter große Gigant verfügen mußte, würde mich nicht einmal der massive Metallschild schützen.
    Der Wikinger kam langsam näher. Das Schwert, das in seinen riesigen Händen fast wie ein Spielzeug wirkte, zitterte leicht, seine Spitze zeichnete einen eleganten Halbkreis in die Luft, ehe sie sich wie zufällig auf meine Brust richtete. Ich hielt meinen Schild ein wenig höher, spreizte die Beine, um festen Stand zu erlangen, und hob meine eigene Waffe.
    Der Riese lachte; ein leiser, grollender Laut, der unheimlich von den Wänden widerhallte. »Narr«, sagte er. »Glaubst du wirklich, du könntest gegen mich bestehen? Wirf dein Schwert weg und komm her. Du ersparst dir nur unnötige Qualen.«
    Ich starrte den Wikinger ungläubig an. »Du … du sprichst?« murmelte ich verwirrt. »Du sprichst meine Sprache?«
    Ein unwilliger Schatten huschte über das Gesicht des Giganten. »Was willst du?« knurrte er. »Reden oder kämpfen?«
    »Wer bist du?« fragte ich, seine Worte mißachtend. »Wenn du wirklich Leif Erickson bist, dann haben wir keinen Streit mit dir.«
    »Erickson!« brüllte der Riese. Seine Stimme bebte vor Wut, und ich hatte plötzlich das Gefühl, etwas reichlich Dummes gesagt zu haben.
    »Du kennst diesen Verräter also!« brüllte er. »Dann stirb, so wie er mich, Hellmark von Sjöde, ermordet hat!« Und mit diesen Worten stürzte der Gigant vor und schwang in einer ungeheuer kraftvollen Bewegung sein Schwert.
    Ich duckte mich im letzten Moment hinter meinen Schild.
    Hellmarks Klinge fuhr mit einem splitternden Laut in den Rand meiner Deckung, verfehlte mich um Millimeter und glitt knirschend ab. Aber allein die Wucht dieses ersten Hiebes reichte, um mich zurücktaumeln und hilflos gegen die Wand prallen zu lassen.
    Ein dumpfer Schmerz schoß durch meine Schulter und lahm-te meine ganze linke Körperhälfte. Mein linker Arm mit dem Schild sank kraftlos herab, und für einen Moment begann der Raum vor meinen Augen zu verschwimmen. Auch ich war ein Meister der Fechtkunst, und schon so mancher, der geglaubt hatte, einem wehrlosen und schwachen Jüngling gegenüberzustehen, hatte rasch und schmerzhaft lernen müssen, wie falsch diese Annahme war. Aber gegen diesen hünenhaften Wikinger hatte ich nicht die geringste Chance.
    Allein seine Körperkraft würde jeden Versuch, ihn mit einer ausgefeilten Technik zu besiegen, schlichtweg lächerlich erscheinen lassen. Der nächste Hieb, das wußte ich, würde tödlich sein.
    Da sah ich eine Bewegung an der Tür und hörte Beckers Stimme: »Das Medaillon, Robert!«
    Ich handelte, ohne zu denken. Ich ließ das Schwert fallen, duckte mich im letzten Moment unter einem zweiten Streich Hellmarks weg und griff in die Tasche. Meine Finger umklammerten das Medaillon, das ich aus dem Regal genommen hatte, und streckten es Hellmark entgegen.
    Die Wirkung war verblüffend. Im gleichen Moment, in dem der Wikinger das Amulett erblickte, erstarrte er mitten in der Bewegung. Seine Augen weiteten sich ungläubig. »Bei Thor!« keuchte er. »Warum hast du nicht gesagt, wer du bist?
    Um ein Haar hätte ich dich getötet!«
    Ich war viel zu verblüfft, um zu antworten. Hellmark ließ sein Schwert sinken, schüttelte den Kopf und rieb sich nachdenklich mit der Hand über das Kinn. »Du bist ein Narr«, murmelte er. »Verbündete sollten sich zu erkennen geben, damit sie sich nicht aus Versehen umbringen.« Plötzlich grinste er. »Ich gestehe es nicht gerne, aber du bist ein guter Gegner. Wenigstens für eine halbe Portion, wie du es bist. Die wenigsten überleben meinen ersten Hieb. Wenn du lange genug lebst, dann wird noch einmal ein großer Krieger aus dir.«
    »Danke«, antwortete ich. Verwirrt blickte ich zur Tür und suchte nach Jake, aber er war nicht da. Verdammt, ich hatte mir seine Stimme doch nicht bloß eingebildet!
    Ich verstand überhaupt nichts mehr, aber ich hielt es für besser, den Riesen wenigstens für den Moment noch in dem Glauben zu lassen, ich stünde auf seiner Seite. »Aber wer,«
    »Es ist keine Zeit zum Reden«, unterbrach mich Hellmark.
    Er wies mit einer Kopfbewegung zum Fenster, hob das Schwert auf, das ich fallengelassen hatte, und drückte es mir

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