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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dem Schild, der ihn erneut nach hinten kippen ließ, und als er die Augen wieder öffnete und benommen zu mir emporblinzel-te, berührte die Spitze meines Schwertes die Stelle, wo unter dem struppigen Vollbart seine Kehle sein mußte.
    »Oh«, sagte Hellmark. Seltsamerweise zeigte er nicht die mindeste Spur von Furcht. Aber das machte nichts, ich hatte durchaus Angst genug für uns beide … »Beweg dich nicht!«
    sagte ich so drohend, wie ich nur konnte. »Oder,«
    »Oder?« fragte Hellmark. Plötzlich grinste er und entblößte dabei die schlechtesten Zähne, die ich je gesehen hatte.
    »Willst du mich umbringen, kleiner Mann?«
    Ich antwortete nicht darauf, aber mein Schweigen schien Hellmark als Antwort zu genügen. Mein Schwert kurzerhand ignorierend, setzte er sich auf, so daß ich die Klinge ein Stück heben mußte, um ihn nicht aufzuspießen.
    »Willst du mich umbringen, Knirps?« wiederholte er fei-xend. »Na dann viel Spaß. Aber es wird ziemlich schwierig werden, fürchte ich. Ich bin nämlich schon tot, weißt du?« Er griff gemächlich nach meinem Schwert, drückte es zur Seite und stand auf, wodurch er mich plötzlich wieder um gute zehn Inches überragte. Hellmark lächelte fast gutmütig auf mich herab, bückte sich nach seinem Schwert und betrachtete die Waffe einen Moment lang nachdenklich, so, als überlege er, ob es sich überhaupt lohnte, sie zu beschmutzen, indem er mir den Schädel damit einschlug.
    Ich wich einen Schritt zurück und hob drohend Schild und Schwert. »Rühr dich nicht!« sagte ich. »Ich lasse nicht zu, daß du einen Unschuldigen tötest.«
    »Gib dir keine Mühe«, sagte Becker hinter mir. Seine Stimme klang resigniert. »Er weiß, daß du ihn nicht umbringen würdest.«
    »Da wäre ich nicht so sicher«, antwortete ich mit gespielter Entschlossenheit. »Ich lasse nicht zu, daß er den Professor,«
    »Er wird sterben!« unterbrach mich Hellmark, und ganz plötzlich war seine Stimme wieder kalt wie Eis. »So will es der Fluch! Ein Leben für hundert, und Rache an den Ericksons bis ins letzte Glied! Es ist das Gesetz der Götter!«
    »Das ist es nicht!« sagte Becker. »Du frevelst sie! Nie sollten Unschuldige sterben!«
    »Niemand ist unschuldig«, erwiderte Hellmark grollend.
    »Dieses Land hätte uns gehört. Mir! Wir wurden betrogen und alle, die mir die Treue hielten, erschlagen. Auge um Auge, Leben um Leben, so will es Odins Fluch!«
    Und damit kam er wieder näher. Ich wich weiter zurück, stellte mich schützend vor den Professor und suchte fieberhaft nach einer Rettung. Daß ich einen ernstgemeinten Kampf mit diesem Giganten nicht eine Minute durchstehen würde, war mir nur zu klar. Aus irgendeinem Grund hielt Hellmark mich für so etwas wie seinen Verbündeten, und das war wohl auch der einzige Grund, warum ich überhaupt noch am Leben war. Aber ich zweifelte keine Sekunde daran, daß er auch mich und Becker umbringen würde, wenn wir versuchten, Havilland zu schützen. »Ich verbiete es!« schrie Becker.
    »Das kannst du nicht«, antwortete Hellmark. »Nicht einmal du kannst mich zurückhalten. Es sind deine Gesetze, und sie müssen erfüllt werden.« Ich verstand endgültig kein Wort mehr, aber ich hatte auch nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, welche Rolle Becker hier wirklich spielte, denn Hellmark schlug in diesem Moment fast spielerisch mit seinem Schwert nach mir, so daß ich mich mit einem hastigen Hüpfer in Sicherheit bringen mußte.

    »Du solltest mir aus dem Weg gehen, kleiner Mann«, sagte Hellmark lachend. Aber ich tat es nicht, im Gegenteil: Auch wenn ich innerlich in diesen Sekunden vor Angst tausend Tode starb, war ich fest entschlossen, bis zum letzten zu kämpfen, wenn es sein mußte. Es ging nicht nur um Havillands und mein Leben. Ich hatte Hellmarks Worte und unser schreckliches Erlebnis am Strand keineswegs vergessen. Die Wikingerkrieger würden diese ganze Stadt auslöschen, wenn es uns nicht gelang, sie aufzuhalten.
    »Ich lasse es nicht zu«, sagte ich noch einmal, es klang allerdings eher trotzig als entschlossen. Und trotzdem blieb Hellmark abermals stehen, legte den Kopf schräg und betrachtete mich aufmerksam. Ein neuer, verwirrter Ausdruck erschien in seinen Augen.
    »Wer bist du, daß du glaubst, dich in die Geschicke der Götter mischen zu können?« fragte er. »Antworte, oder ich vernichte dich.«
    »Warum tust du das?« fragte ich. »Die Menschen, die du tötest, sind unschuldig. Selbst Havilland hat nichts mit deinem Fluch zu

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