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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einfach zu phantastisch, um den Gedanken auch nur zu Ende zu denken.
    »Er sprach von anderen«, sagte ich leise. »Bedeuten diese Worte das, was ich glaube?«
    Becker nickte. »Ich fürchte«, sagte er.
    »Aber das ergibt doch keinen Sinn! Wenn Hellmark wirklich vorhat, sich an Leif Erickson zu rächen, warum …
    warum dann erst jetzt, tausend Jahre später?« Becker seufzte. »Ich fürchte, im Reich der Toten existiert der Begriff der Zeit nicht, da sind tausend Jahre nicht mehr als ein einziges.«
    Niedergeschlagen ließ er sich auf die unterste Treppenstufe sinken und starrte vor sich hin, und nach einer Weile setzte ich mich neben ihn. Es war eine absurde Situation: Wir hatten den sicheren Tod vor Augen, jeden Moment konnte Hellmark wieder auftauchen und allem ein Ende machen, aber wir hockten einfach da und taten, nichts.

    Meine Finger spielten unbewußt mit dem Medaillon, das ich in Havillands Arbeitszimmer gefunden hatte. Die geflügelte Schlange auf seiner Rückseite schien sich zu bewegen, als ich es langsam drehte.
    »Was haben Sie da?« fragte Jake neugierig. Ich sah auf und hielt ihm das Medaillon hin. »Das Amulett, von dem ich Ihnen erzählt habe«, sagte ich, »und mit dem Sie mir das Leben gerettet haben, Jake.«
    Jake überhörte auch diese Bemerkung geflissentlich, nahm mir den Anhänger vorsichtig aus der Hand, drehte ihn unschlüssig zwischen den Fingern und versuchte, mit dem Fingernagel den schwärzlichen Belag abzukratzen. Ich beugte mich vor und blickte über seine Schulter.
    »Es ist seltsam«, murmelte ich. »Ich verstehe nicht viel davon, aber das Symbol auf der einen Seite ist eindeutig ein Wikingerschiff. Und die andere …«
    »… stellt Quetzalcoatl dar«, sagte Becker.
    »Wen?«
    Jake lächelte. »Quetzalcoatl«, wiederholte er. »Oder auch Tlahuizcalpantecuhtli genannt, aber das ist noch unaus-sprechlicher. Die geflügelte Schlange der Azteken. Einer ihrer obersten Götter.«
    »Und?« machte ich. »Was bedeutet das?«
    »Nach der Auffassung der meisten von Havillands Kollegen nichts«, sagte Jake. »Aber Havilland hat, was wir hier sehen, im Umkreis von fünf Meilen ausgegraben.«
    »Nachdem Sie ihm gezeigt haben, wo er zu suchen hat, nicht?« sagte ich. »Jake, glauben Sie nicht, daß Sie mir endlich sagen sollten, wer Sie …«
    Aus dem dämmrigen rückwärtigen Teil der Halle hinter uns drang ein dumpfes Bersten und Splittern, gefolgt von einem markerschütternden Schrei und einem neuerlichen Krachen; einem Geräusch, als schlüge ein schwerer Körper auf. Becker und ich sprangen gleichzeitig hoch, aber trotz seiner Verletzungen war er schneller als ich. Mit zwei, drei wahren Riesensätzen durchquerte er die Halle, und blieb so abrupt stehen, daß ich um ein Haar erneut gegen ihn geprallt wäre, wie unten im Keller.
    Ein besonders perfider Teil meiner Phantasie hatte sich die Szene so genau ausgemalt, daß ich eigentlich auf den Anblick hätte vorbereitet sein sollen. Dennoch erstarrte ich vor Entsetzen.
    Crandell lag in der Nähe des Wikingerbootes am Boden. Er lebte und war sogar bei Bewußtsein, blutete aber heftig aus einer üblen Platzwunde an der Stirn, und seine Augen starrten ins Leere. Hellmark stand mit gespreizten Beinen über ihm, aber er beachtete ihn gar nicht. Sein rechter Arm, der das Schwert hielt, war drohend auf Professor Havilland gerichtet, der endlich aus seiner Lähmung erwacht und bis zur hinteren Wand zurückgewichen war.
    »Hellmark!« schrie Becker. »Halt ein! Ich befehle es dir!«
    Hellmark machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu ihm herumzudrehen. »Misch dich nicht ein«, sagte er nur, in fast freundschaftlichem Ton, aber auch in einem, der sehr deutlich machte, wie wenig ihn Beckers Worte beeindruck-ten.
    Aber gut, schließlich hatte er nur zu Becker gesagt, er solle sich nicht einmischen, nicht zu mir. Als der Wikinger einen weiteren Schritt auf Havilland zu machte und das Schwert hob, sprang ich ihn an.
    Ich hatte ja bereits einige Kostproben seiner unglaublichen Stärke erhalten, und ich beging nicht den Fehler, ihm die Waffe entreißen oder ihn etwa niederringen zu wollen, ich packte einfach den schweren Bronzeschild mit beiden Händen und rammte ihn Hellmark zwischen die Schultern. Und das reichte, um selbst diesen Giganten zu Fall zu bringen.

    Mich allerdings auch.
    Aber ich war eine Sekunde vor Hellmark wieder auf den Füßen, und ich nutzte diese Chance. Blitzschnell versetzte ich ihm einen zweiten, nicht ganz so heftigen Hieb mit

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