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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pfeiles.
    Eines Pfeiles, wie ihn die Olmeken mit ihren Blasrohren verschossen!
    Ungläubig hob ich den Kopf und blickte zum Waldrand hinüber. Vor der wogenden grünen Wand stand ein hochgewachsener Krieger, ein Blasrohr in der rechten und eine Feuersteinaxt in der linken Hand.
    Setchatuatuan!
    »Seht ihn euch an!« schrie der Olmeke mit vollem Stimmaufwand. »Seht euch seinen Gott an! Er blutet! Er stirbt an einem einzigen Pfeil, von Menschenhand verschossen!«
    Quetzalcoatl fuhr beim Klang seiner Stimme herum, breitete die Schwingen in einem kochenden grünen Wirbel aus und wollte sich auf den scheinbar wehrlosen Menschen herabstürzen.
    Setchatuatuan wartete mit einer fast übermenschlichen Ruhe, bis der Drache fast ganz heran war, sprang dann blitzschnell zur Seite und schleuderte sein Beil. Die Axt verwandelte sich in ein flirrendes graues Rad und hämmerte mit einem dumpfen Klatschen in den Schlangenhals der Bestie. Der Drache schrie abermals auf, warf sich mitten im Flug herum und schlug hilflos mit den Schwingen. Ein breiter Strom schwarzen, dickflüssigen Blutes sickerte aus der fürchterlichen Wunde an seinem Hals.
    »Er ist kein Gott!« schrie Setchatuatuan. »Seht ihn euch an!
    Er ist ein sterbliches Wesen wie wir! Leif Erickson hat euch belogen! Das ist nicht Quetzalcoatl, sondern nur ein Ungeheuer, mit dem er euch getäuscht hat! Der Fremde hat uns die Wahrheit gesagt! Er war von den Göttern gesandt, um den Betrüger zu entlarven!«
    Quetzalcoatls gellende Schreie waren zu einem Röcheln abgesunken. Ein Zittern lief durch den gewaltigen, grünlichen Körper. Er versuchte an Höhe zu gewinnen, aber seine Kräfte reichten nicht mehr aus.
    »Hört nicht auf ihn!« schrie Leif Erickson von der Hügelkuppe aus. »Er ist ein Verräter wie Lasse und dieser Mann! Er lügt!«
    Zwei, drei Sekunden lang geschah gar nichts. Dann trat ein zweiter Krieger hinter Setchatuatuan aus dem Busch, ein dritter, ein vierter.
    Nach und nach kehrten die Olmeken zurück. Und nicht nur die Rebellen, sondern auch die Männer, die Leif Erickson mitgebracht hatte. Ihre Blicke richteten sich nach oben, auf die gewaltige grüne Bestie, die hoch über ihren Köpfen ihren Todeskampf ausfocht.
    »Tötet sie!« kreischte Erickson. Seine Stimme überschlug sich fast vor Panik. »Ich, Leif Erickson, der Herr Aztlans, befehle euch, die Verräter zu töten. Quetzalcoatls Fluch wird alle treffen, die meinen Worten nicht gehorchen!«
    Einer der Indios hob seinen Bogen. Für eine schreckliche, endlose Sekunde deutete die dreieckige Spitze aus rasiermesserscharf geschliffenem Feuerstein direkt auf mich. Dann riß der Mann mit einem krächzenden Schrei die Waffe herum, zog die Sehne bis zum Ohr durch und ließ den Pfeil davonschnel-len. Das Geschoß bohrte sich dicht neben Setchatuatuans Beil in den Hals Quetzalcoatls und fügte der ersten Wunde eine zweite hinzu.
    Erickson schrie ungläubig auf, aber seine Stimme ging im Sirren der Bogensehnen und den Schreien des sterbenden Ungeheuers unter.
    Quetzalcoatl starb schnell und so grausam, wie er unter seinen Opfern gewütet hatte. Dutzende, wenn nicht Hunderte von Pfeilen und Äxten zischten zu ihm hinauf, zerfetzten seine Flügel und zerschnitten den grünen, glitzernden Schuppenpan-zer. In einem letzten, vergeblichen Aufbäumen gewann das Ungeheuer mit ein paar mächtigen Flügelschlägen nochmals zwanzig, vielleicht dreißig Yards Höhe, dann lief ein schmerzhaftes, krampfartiges Zucken durch den gewaltigen Körper.
    Quetzalcoatl schwankte, senkte sich in flachem Winkel auf die Lichtung herab und kippte im letzten Moment zur Seite.
    Ich hatte das Gefühl, als ob die ganze Lichtung unter meinen Füßen erbebte, als das gewaltige Ungeheuer in den Wald krachte und Bäume und Unterholz mit seinem Gewicht zermalmte.
    Sekundenlang starrte ich wie betäubt auf den gewaltigen verrenkten Echsenkörper der Bestie, dann wandte ich mich langsam um und sah zu Lasse Rotbart und Leif Erickson hinauf. Lasse hatte sich auf Erickson gestürzt, noch ehe das Ungeheuer über ihren Köpfen seinen Todeskampf ausgestan-den hatte, und zwischen den beiden war ein unbarmherziger Zweikampf entbrannt. Leif Erickson überragte den rotbärtigen Wikinger fast um Haupteslänge, aber Lasse machte mit Wut und Entschlossenheit dreifach wett, was ihm vielleicht an Kraft fehlte. Immer wieder und wieder krachte seine Klinge auf Ericksons Schild herunter. Ich sah, wie der Wikinger unter jedem Hieb wie unter einem Hammerschlag

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