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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verstehst.«
    Mein Herz machte einen schmerzhaften Sprung, als ich sah, was der Wikinger mit seinen Worten gemeint hatte. Leif Erickson hatte sich ein paar Schritte den Hügel hinab und auf uns zu bewegt.
    Es war das erstemal, daß ich ihn von Angesicht zu Angesicht sah. Leif Erickson war ein durchaus gutaussehender Mann. Er war sehr groß und unglaublich breitschultrig, dabei aber so perfekt proportioniert, daß er kaum wie der Riese wirkte, der er war. Sein Gesicht war kantig und hart, aber nicht unbedingt unsympathisch, und der Blick seiner tiefblauen Augen strahlte eher Schmerz und Trauer aus als die Härte und Grausamkeit, die man ihm nachsagte. Seine Lippen zitterten. Er hatte Mühe, Schwert und Schild zu halten, und sein Blick irrte immer wieder zwischen mir und den Olmeken-Kriegern hin und her, die Säule seiner Macht, die ihm plötzlich den Gehorsam verweigerte.
    »Wer … wer bist du, Bursche?« keuchte er. »Wer schickt dich?«
    Ich raffte all meinen Mut zusammen und trat dem Wikinger entgegen. »Gib auf, Leif Erickson«, sagte ich betont. »Du bist kein Gott, ebensowenig wie ich. Gib auf.«
    Erickson schwieg. Sein Blick flackerte.
    »Wer bist du?« fragte er noch einmal.
    »Hellmark«, antwortete ich. »Es ist Hellmark, der mich geschickt hat. Er und die Toten. Sie fordern ihre Rache.«
    Aber Leif Ericksons Reaktion war ganz anders, als ich erhofft hatte. Statt abermals vor Schrecken zu erstarren, verfinsterte sich sein Gesicht. Wütend hob er die Waffe.
    »Schweig, du Narr!« donnerte er. »Du weißt nicht, was du sprichst!«

    Er richtete sich hoch auf und warf einen verächtlichen Blick zu mir herab.
    »Du bist ein Narr, Fremder«, fuhr er fort. »Du bist weder ein Gott noch ein Bote der Götter. Du bist nichts als ein Betrüger.«
    Er schwieg einen Moment, hob die Arme und trat einen Schritt vor. Als er weitersprach, war seine Stimme überall auf der Lichtung deutlich zu hören.
    »Kommt zurück, ihr tapferen Krieger. Quetzalcoatl selbst befiehlt euch, diesen Ketzer zu töten!«
    Hinter ihm bewegte sich etwas Gigantisches, Grünliches. Für einen Moment sah es aus, als wäre der Berg selbst zum Leben erwacht und aufgestanden, dann schob sich ein ungeheuerlicher, gräßlicher Schädel über die Hügelkuppe, blickte aus blutgierigen kleinen Augen auf mich und die Olmeken-Krieger herab und stieß einen krächzenden Schrei aus. Titanische grüne Flügel entfalteten sich mit einem ledrigen, flappenden Geräusch.
    Mein eigenes erschrockenes Keuchen ging in einem hundert-stimmigen Entsetzensschrei unter, als Quetzalcoatl sich mit einem trompetenden Schrei hoch in die Luft erhob …

    Im ersten Moment war ich wie gelähmt vor Schrecken. Ich hatte Schlimmes erwartet nach Lasse Rotbarts Worten, einen Drachen, einen Flugsaurier, eine Art übergroßen Pterodaktylus vielleicht, aber das Ungeheuer übertraf all meine Befürchtungen um ein Vielfaches.
    Es war gewaltig. Seine Flügelspannweite mußte mehr als dreißig Yards betragen und das riesige, mit rasiermesserschar-fen Krokodilszähnen bewehrte Echsenmaul war groß genug, einen Mann mit einem einzigen Biß zu zerteilen. Die Bestie war grün, von einem so kranken, widerwärtigen Grün, wie ich es nie zuvor gesehen hatte, und ihr Leib erinnerte an eine mißlungene Kreuzung zwischen einer gigantischen Eidechse und einer Fledermaus. Die Krallen an den kurzen, halb verkümmerten Hinterläufen wirkten winzig, aber auch sie waren tödliche Waffen.
    Das Ungeheuer schwang sich mit einer einzigen, gewaltigen Bewegung seiner Riesenschwingen hoch über die Lichtung empor, legte sich wie ein Segelflieger auf die Seite und kam in einer weit geschwungenen Kurve zurück. Die Luft rauschte hörbar, als das Monstrum herunterstieß.
    »In Deckung!« brüllte Lasse mit überschnappender Stimme.
    Er schien der einzige zu sein, den der Anblick des Monstrums nicht in seinen Bann geschlagen hatte. Mit einem keuchenden Schrei riß er seinen Schild über den Kopf, ließ sich auf ein Knie herabsinken und hob abwehrbereit sein Schwert, als Quetzalcoatl niederstieß.
    Die hornigen Krallen des Ungeheuers streiften seinen Schild und schleuderten ihn wie eine Puppe zur Seite. Quetzalcoatls Schwingen peitschten über den Boden und fegten ein, zwei, drei Indios von den Füßen. Das gewaltige Maul des Drachens öffnete sich, stieß auf einen vierten Olmeken herunter und schnappte zu.
    Der grausige Anblick riß mich endlich aus meiner Erstarrung.
    Mit einem verzweifelten Schrei warf ich mich zur

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