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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Fackel betraf, blieb aber keineswegs stehen, sondern trat im Gegenteil direkt neben ihn. Lasse seufzte, verlor aber kein Wort mehr, sondern ging so schnell weiter, daß ich Mühe hatte, ihm zu folgen. Erst an der nächsten Krümmung des Stollens blieb er stehen, hob noch einmal warnend die Hand, ließ sich in die Hocke sinken und spähte vorsichtig um die Ecke.
    Der Wikinger hatte sich nicht getäuscht. Weiter vorne waren Stimmen zu hören, die Stimmen von zwei, drei Männern, die sich leise miteinander unterhielten, ohne daß ihre Worte zu verstehen gewesen wären. Lasse blieb sekundenlang reglos hocken, ehe er, noch immer geduckt, zwei Schritte zurück-kroch und sich vorsichtig wieder aufrichtete.
    »Krieger«, sagte er im Flüsterton. »Vier Mann von Setchatuatuans Leibwache. Und ich fürchte, es sind noch mehr da.«
    Er legte hastig den Zeigefinger über die Lippen, als ich antworten wollte, und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, zu den anderen zurückzugehen.
    Die Krieger sahen uns beunruhigt entgegen. Lasse berichtete mit wenigen, geflüsterten Worten, was wir entdeckt hatten, und ich sah, wie Ericksons Hand unter den Mantel glitt und nach der Stelle tastete, an der normalerweise sein Schwert hing.
    Lasse entging die Bewegung ebenfalls nicht. Er schwieg dazu, aber sein Gesichtsausdruck wurde noch finsterer.
    »Und was tun wir jetzt?« fragte ich. »Gibt es noch einen anderen Weg nach Aztlan?«
    »Sicher«, antwortete Lasse mürrisch. »Wahrscheinlich Dutzende. Aber ich kenne nur diesen einen. Verdammt, ich habe nicht damit gerechnet, daß Setchatuatuan uns verfolgt. Ich hatte gehofft, daß sie viel zu sehr mit ihren Kriegstänzen beschäftigt sind, um sich um uns zu kümmern. Aber wenn sie uns jetzt den Weg abschneiden, weiß ich nicht …«
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, fiel ihm Erickson ins Wort. »Aber es ist gefährlich.«
    Lasse lachte rauh. »Du machst Witze, wie?«
    »Ganz und gar nicht«, antwortete Erickson ernsthaft. Er zögerte. Seit wir aufgebrochen waren, hatte sich sein Zustand ein wenig gebessert, aber ich wußte, daß es nur ein letztes Aufflackern war, dem der totale Zusammenbruch folgen mußte. Er hatte zu lange unter dem verderblichen Einfluß der Herren Aztlans gestanden, um sich jetzt noch einmal zu erholen.

    »Dann sprich endlich«, sagte Lasse unwillig, als Erickson auch nach einer Weile nicht von sich aus fortfuhr. »Was ist das für eine Möglichkeit? Ein geheimer Gang, oder einer deiner Zaubertricks?«
    Erickson sah ihn ernst an. »Es gibt unter der ganzen Stadt unterirdische Gänge und Stollen«, sagte er. »Keine natürlichen Grotten wie diese, sondern künstlich angelegte Stollen.
    Manche von ihnen führen bis hierher, zu den Höhlen von Tucan, und noch darüber hinaus.«
    »Dann zeige uns diesen Weg«, sagte Lasse, beinahe hastig.
    Und wie um seine Worte zu unterstreichen, wurden die Schritte und Stimmen plötzlich lauter.
    Erickson zögerte noch einen winzigen Moment, dann drehte er sich herum und begann in die Richtung zurückzulaufen, aus der wir gekommen waren. Allerdings nur ein paar Schritte weit, dann blieb er jäh stehen, deutete uns mit Gesten, ein wenig zurückzubleiben, und trat mit hoch erhobenen Armen an die Wand heran.
    Fast eine Minute lang stand er einfach reglos da. Seine Lippen formten Worte, die sich für meine Ohren verdächtig nach einem Zauberspruch anhörten. Das Ergebnis war nicht besonders beeindruckend.
    Genaugenommen geschah überhaupt nichts.
    »Was soll das?« fragte Lasse zornig, als sich Erickson wieder zu uns herumdrehte. »Willst du uns zum Narren halten?«
    Erickson lächelte, machte einen Schritt, und trat einfach durch die massive Wand des Stollens hindurch.
    »Thor!« keuchte Lasse. »Was ist das?«
    Ericksons Gesicht tauchte aus der Felswand auf und blickte ungeduldig zu uns zurück. »Worauf wartet ihr?« fragte er. »Es ist nicht gefährlich. Los!«
    Zögernd folgten wir ihm. Selbst mein Herz begann wie wild zu jagen, als ich dicht hinter Lasse Rotbart an die Felswand herantrat und die Hand ausstreckte. Was wie eine massive Mauer aus Stein aussah, fühlte sich wie feuchter Nebel an.
    Für eine Sekunde hatte ich das Gefühl, in einem eiskalten, nassen Nichts zu schweben, dann trat ich auf der anderen Seite der vermeintlichen Mauer wieder heraus und wäre fast gegen Lasse Rotbart geprallt, der mit aufgerissenem Mund stehengeblieben war und sich umsah.
    »Bei Thors Hammer!« keuchte er. »Was ist das, Leif?«
    »Die

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