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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Verliese von Aztlan«, antwortete Leif Erickson. Seine Stimme bebte; in seinen Worten war eine Mischung aus Ehrfurcht und nacktem Entsetzen, die auch mich erschauern ließ. »Nur wenige wissen davon, und noch weniger haben es bisher gewagt, sie zu betreten. Man sagt, daß die Katakomben ein Teil des ursprünglichen Aztlan seien.«
    »Des ursprünglichen Aztlan?« wiederholte ich betont. »Wie meinst du das?«
    Erickson wirkte plötzlich sehr unsicher. »Die … Stadt der Alten«, sagte er. »Der Teil Aztlans, in dem er lebt. Es heißt, diese Gewölbe seien nicht von Menschenhand errichtet, und für Menschen sind sie auch nicht gedacht.«
    »Unsinn«, knurrte Lasse.
    »So?« sagte Erickson. »Dann erklär mir, was das hier ist.«
    Lasse wollte antworten, zuckte aber dann nur die Achseln und warf einen verwirrten Blick in die Runde.
    Der Raum, in dem wir uns befanden, schien gleichzeitig rechteckig und rund zu sein, und obwohl mir meine Augen sagten, daß der Boden eben war, hatte ich das Gefühl, auf einem steilen Abhang zu stehen. Nirgends war eine Lichtquelle zu entdecken, und doch durchwebte eine sonderbar farblose, flackernde Helligkeit den Raum.
    »Was weiß ich«, maulte der Wikinger schließlich. »Jedenfalls habe ich langsam genug von deinem Gerede von Geistern und Dämonen.«

    »Niemand spricht von Dämonen«, mischte ich mich ein, ehe die beiden Wikinger erneut aneinandergeraten konnten. »Aber ich glaube, ich weiß, was Erickson meint.«
    »So?« fragte Lasse übellaunig.
    »Dieses … Wesen«, begann ich vorsichtig, und an Erickson gewandt. »Der, mit dem du … verbündet warst
    - er ist einer von jenen, die diese Stadt erbauten, nicht?«
    Erickson nickte. Sein Gesicht verfinsterte sich noch weiter.
    »Ihr könnt hier bleiben«, sagte er. »Ich gehe allein. Es wäre sowieso besser, wenn,«
    Lasse unterbrach ihn mit einem schrillen Lachen. »Du bist von Sinnen, Erickson. Glaubst du wirklich, daß ich dir gestatte, allein nach Aztlan zurückzukehren?«
    Erickson blickte ihn einen Moment lang fast traurig an, dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, seufzte er. »Natürlich nicht.
    Verzeih die dumme Frage.« Er machte eine Handbewegung, als wolle er das Thema damit beiseitewischen, und trat auf Lasse und mich zu. »Ich muß den Zugang schließen«, sagte er.
    Wir traten gehorsam beiseite, aber ich sah, daß Lasses Blicke voller Mißtrauen jeder noch so kleinen Bewegung Leif Ericksons folgten. Das kleine Zauberkunststückchen, das uns Leif Erickson soeben vorgeführt hatte, hatte Lasses Mißtrauen jäh wieder aufflammen lassen, und auch ich war plötzlich gar nicht mehr so felsenfest davon überzeugt, daß Erickson auf unserer Seite stand. Ich hatte Lasse die Wahrheit gesagt, als ich behauptet hatte, daß es einem normalen Menschen vollkommen unmöglich war, mich zu belügen. Aber war Erickson noch ein normaler Mensch? So wie es aussah, hatte er in den letzten sechs Jahren eine Menge von den Herrn Aztlans gelernt.
    Erickson trat dicht an die Wand heran und hob die Arme, genau wie er es auf der anderen Seite des Felsens getan hatte.
    Seine Lippen formten lautlose Worte, um den Durchgang auf die gleiche Weise wieder zu schließen, wie er ihn geöffnet hatte.
    Da schoß eine Hand durch den Felsen hindurch und krallte sich in seine Brust. Erickson schrie auf und prallte zurück, aber die Hand ließ nicht los; ganz im Gegenteil: der Hand folgte ein Arm, dann eine Schulter und schließlich ein buntbemaltes, haßverzerrtes Gesicht, dann verlor Setchatuatuan endgültig die Balance und stolperte gegen Erickson. Aneinandergeklammert fielen die beiden zu Boden.
    Noch bevor Lasse oder ich uns von unserer Überraschung erholen konnten, tauchte ein zweiter Olmeken-Krieger hinter Setchatuatuan auf, dann ein dritter, vierter, fünfter … Binnen weniger Sekunden erschienen mehr als ein Dutzend Krieger hinter Setchatuatuan, die sich mit gezückten Waffen um ihren Anführer drängten. Auf ihren Gesichtern stand panisches Entsetzen, aber auch Entschlossenheit.
    Auch Lasses Männer zückten ihre Waffen, und für einen winzigen Moment sah es fast so aus, als würden sich die beiden ungleichen Gruppen aufeinanderstürzen. Aber dann stand Setchatuatuan auf und hob rasch die Hand. Seine Krieger senkten zwar ihre Waffen nicht, aber sie wichen ein ganz kleines Stückchen zurück.
    »Verräter«, sagte Setchatuatuan kalt. »So hältst du dein Wort?«
    »Er versucht nur dein Leben zu retten, du Narr«, sagte Leif Erickson. »Deines und

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