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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verwandelte.
    Es ging so schnell und sah so echt aus, daß selbst ich erschrocken zusammenfuhr. Wo gerade noch der Jaguar inmitten der Flammen gestanden hatte, erhob sich plötzlich etwas Schwarzes, Gräßliches, ein wabernder finsterer Balg mit zahllosen peitschenden Armen und glotzenden Augen, eingehüllt in einen Mantel aus lodernden Flammen und Funken.
    Schwarzer Geifer troff aus dem zahnbewehrten Maul der Spottgeburt und verzischte wie kochende Säure in den Flammen.
    Das reichte.
    Wie ein Mann fuhren die Indios herum und stürmten schreiend aus der Höhle, ohne auch nur einen Blick zu uns zurückzuwerfen. Und auch Lasses Männer sprangen auf und griffen erschrocken nach ihren Waffen.
    »Bleibt!« sagte ich hastig. »Es besteht keine Gefahr.«
    Lasse starrte mich aus aufgerissenen Augen an. Ich grinste, stand gemächlich auf und drehte mich zu dem gräßlichen Wesen herum, das noch immer inmitten des Feuers stand und prasselnd vor sich hinbrannte. Ich bedauerte es fast sofort, aber ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen: In einer bewußt theatralischen Geste hob ich die Arme und deutete auf das übermannsgroße Schreckensgebilde.
    »Und du«, sagte ich betont lässig, »bist so nett und ver-schwindest, ja?«
    Sogleich löste sich das Ding in Nichts auf. Lasse keuchte, sprang entsetzt auf und schlug fast in der gleichen Sekunde der Länge nach hin. Er brüllte erschrocken, sprang wieder hoch,
    und starrte aus hervorquellenden Augen auf den Jaguar, über den er gestolpert war und der die Störung mit einem unwilligen Fauchen quittierte.
    »Was -?« stammelte er, fuhr herum und glotzte ungläubig in die Flammen. Das Feuer brannte wieder normal. Nicht einmal ein Zweig war verrutscht.
    »Aber wo … wo ist der … der Dämon?« keuchte Lasse Rotbart.
    »Es hat ihn nie gegeben«, sagte ich und tippte mit den Fin-gerknöcheln gegen meine Stirn. »Er war nur hier oben, verstehst du?«
    Nein, Lasse Rotbart verstand nicht, das sagte mir der Blick, mit dem er mich maß. »Aber der … der Jaguar«, stammelte er.
    »Ich habe doch gesehen, wie er,«
    »Du hast gesehen, was du sehen solltest«, sagte ich. »Und jetzt vergiß es. Es war nur ein billiger Trick.« Ich deutete zum Höhlenausgang und wechselte hastig das Thema. »Wir sollten verschwinden, Lasse. In ein paar Minuten werden die Männer Setchatuatuan eingeholt haben, und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis er hier wieder auftaucht, und mit ihm die halbe olmekische Armee.«
    Lasse nickte zögernd. Er wirkte wie betäubt, und auch die Augen der anderen Wikinger waren weit vor Schrecken. Selbst Leif Erickson blickte mich mit so etwas wie Respekt an, obwohl er von allen vielleicht am ehesten ahnte, was ich getan hatte, nämlich nichts anderes, als den Indios eine völlig harmlose Vision vorzugaukeln, was um so leichter gelang, als sie nur allzu bereit waren zu glauben, was ich sie sehen machen wollte.

    Wir verließen die Höhle auf dem gleichen Weg wie die fünf Olmeken vor uns, bogen aber schon an der ersten Tunnelkreu-zung nach links ab und bewegten uns wieder nach unten, tiefer in die Erde hinein und fort von den Ausgängen, die ich kannte.
    Wir gingen sehr schnell, und wir rückten enger zusammen, als nötig gewesen wäre. Trotz der Fackeln, die Lasses Männer angezündet hatten, hüllte uns eine sonderbar unangenehme, saugende Dunkelheit ein, eine Dunkelheit, die alles Licht und jeden Ton zu verschlingen schien; der Lichtschein der Fackeln verlor sich bereits nach wenigen Schritten zwischen den schwarzen Lavafelsen und versickerte wie Wasser in Ritzen und Spalten.
    Ich hatte Lasse bisher nicht danach gefragt, aber ich glaubte zu wissen, auf welchem Weg er uns führen wollte. Es gab im Grunde nur eine Möglichkeit, vor Setchatuatuan und seinen Olmeken nach Aztlan zu gelangen, wir mußten, statt den zeit-und kräfteraubenden Weg durch den Dschungel zu wählen, den unterirdischen Stollen der Höhlen von Tucan bis nach Aztlan folgen.
    Wir waren etwa eine Viertelstunde gegangen, als der Mann an der Spitze unserer kleinen Kolonne plötzlich stehenblieb und warnend die Hand hob.
    »Was ist los?« fragte Lasse.
    »Da … ist etwas«, antwortete der Mann zögernd. Er schloß die Augen und legte den Kopf schräg, um zu lauschen. »Schritte«, sagte er plötzlich.
    Lasse überlegte einen Moment, dann erteilte er entschlossen seine Befehle. »Löscht die Fackeln«, sagte er. »Alle bis auf eine. Aber deckt das Licht ab. Und wartet hier.«
    Ich gehorchte, was

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