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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erreichen.«

    Die Olmeken berieten noch eine halbe Stunde, ehe sie sich einer nach dem anderen erhoben und die Höhle verließen, um draußen ihre heiligen Kriegstänze zu beginnen und darauf zu warten, daß der Morgen graute. Von Lasse hatte ich erfahren, daß der Weg bis Aztlan nicht sehr weit war, drei, vielleicht vier Stunden Fußmarsch, und daß auf dem Wege dorthin die Krieger der anderen Stämme zu ihnen stoßen würden; alles in allem sicher mehr als fünftausend Olmeken, die Aztlan spätestens zur Mittagsstunde erreichen mußten. Uns blieb also nicht viel Zeit; zumal es ja nicht damit getan war, vor Setchatuatuans Armee in der verbotenen Stadt anzukommen, selbst wenn wir das schafften, blieb noch die Kleinigkeit, einen leibhaftigen Großen Alten zu finden und zu besiegen; ein Unterfangen, von dem ich nicht die mindeste Ahnung hatte, wie wir es bewerkstelligen sollten.
    Zumindest das Entkommen aus der Höhle erwies sich als leichter, als ich befürchtet hatte, nach allem sogar beinahe schon zu leicht. Natürlich hatte uns Setchatuatuan nicht ohne Bewachung zurückgelassen. Es waren insgesamt fünf Olmeken, die auf der anderen Seite der Höhle am Feuer hockten und mit einer Mischung aus abergläubischem Respekt und ganz und gar nicht abergläubischem Mißtrauen zu uns herüberlug-ten. Lasse Rotbart hatte vorgeschlagen, sie einfach zu überfal-len und niederzuschlagen, was kein Problem gewesen wäre, denn zusammen mit seinen Wikingern waren wir den Indios deutlich überlegen, und sie rechneten sicherlich nicht mit einem direkten Angriff, aber ich hatte eine bessere Idee. Es gab einfachere und weit weniger drastische Wege, uns unserer Wächter zu entledigen. Ich war zwar nicht halb so sehr Zauberer, wie Setchatuatuan und seine Olmeken glaubten, aber den einen oder anderen Taschenspielertrick hatte ich doch auf Lager. Und es widerstrebte mir, Gewalt gegen die Männer anzuwenden, denen ich letztendlich mein Leben verdankte.
    Ich ließ gut zehn Minuten verstreichen, nachdem Setchatuatuan und die anderen gegangen waren, dann lehnte ich mich zurück, bettete den Kopf gegen den kalten Stein der Höhlen-wand und versuchte mich zu entspannen. Im ersten Moment gelang es mir kaum; Magie hat weit weniger mit Konzentration als mit jener schwer herbeizuzwingenden Art von Halb-Trance zu tun, die vollkommene Entspannung und Ruhe voraussetzt, und meine Gedanken waren in Aufruhr.
    Aber nach einer Weile spürte ich, wie in mir jener Teil meiner Seele erwachte, der mich befähigt, Dinge zu tun, die den meisten anderen Menschen wie pure Zauberei vorkommen müssen. Sie sind es nicht, aber im Ergebnis bleibt sich das wohl gleich.
    Neben mir regte sich der Jaguar. Seit wir die Höhle betreten hatten, hatte er geschlafen, aber jetzt hob er den Kopf und blinzelte zu mir hoch. Seine kleinen spitzen Ohren stellten sich auf, als höre er etwas; dann erhob er sich, blieb einen Moment mit nervös peitschendem Schwanz stehen, und drehte sich mit einer fließenden Bewegung herum, um auf das Feuer und die darum sitzenden Olmeken zuzugehen. In der schattenerfüllten Dämmerung der Höhle war er selbst kaum mehr als ein schwarzer Schemen.
    Lasse Rotbart wollte etwas sagen, aber ich hob rasch die Hand und gebot ihm mit einer Geste, still zu sein. Gebannt sahen er, Erickson und die vier Wikinger zu, wie sich der Jaguar lautlos den Olmeken näherte.
    Auch die Indios bemerkten die Raubkatze, und sie reagierten wesentlich nervöser als Lasse Rotbart und seine Männer.
    Sie begannen unruhig zu schnattern; einer versuchte aufzuste-hen und sank erschrocken wieder zurück, als der Jaguar ihn drohend anfauchte. Selbst über die große Entfernung hinweg konnte ich die Furcht sehen, die sich allmählich in die Verwirrung auf ihren Gesichtern mischte.
    Schließlich hatte der Jaguar sie erreicht.
    Aber er blieb nicht stehen. So gelassen, als striche er satt und zufrieden durch sein vertrautes Jagdrevier, ging er zwischen zwei der wie erstarrt dasitzenden Indios hindurch, und trat, ohne zu zögern, in das brennende Feuer hinein!
    Funken stoben hoch. Kleine, gelbe Flammen leckten an den Pfoten der Raubkatze, setzten ihr Fell in Brand und schossen jäh in die Höhe. Ein ungeheures Zischen erklang, und ein neuerlicher Funkenregen stob hoch und überschüttete die Olmeken mit einem Hagel kleiner beißender Feuerkäfer.
    Die Indios sprangen schreiend in die Höhe, als die Gestalt des Jaguars mit einem einzigen, berstenden Schlag Feuer fing,
    und sich

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