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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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an Kraft gewann. Es war eine irrationale Angst, die weder mit Logik noch mit einfacher Willenskraft zu beschwichtigen war, die Antwort meiner menschlichen Seele auf diese bizarre, sinnverwirrende Umgebung. Ich spürte, daß ich es hier unten nicht lange aushaken würde, so wenig wie irgendeiner der anderen. Es war keine Welt der Menschen, und menschliche Wesen konnten hier nicht existieren.
    Nach einer Weile blieb Erickson erneut vor einer scheinbar massiven Wand stehen, gebot uns mit einer stummen Geste zurückzubleiben und legte die Hand auf den Fels.
    Diesmal dauerte es länger, bis sich die Wand spaltete und einen Durchgang freigab. Ein unwirkliches, mattgrünes Licht drang durch die niedrige Öffnung, und für einen winzigen Moment spürte ich einen Schwall grausamer Kälte.
    Leif Erickson trat zur Seite und deutete mit einer auffor-dernden Geste auf die Tür. »Dort hindurch.«
    »Du gehst nicht voraus?« fragte Setchatuatuan mißtrauisch.

    Erickson verneinte. »Ich will den Durchgang hinter uns schließen«, sagte er. »Geh.«
    Setchatuatuan zögerte sichtlich, gab sich aber dann einen Ruck und drängte sich an Lasse und mir vorbei, um als erster durch die Öffnung zu treten. Erickson wartete geduldig, bis seine Begleiter ihm gefolgt waren, hielt den letzten aber mit einem raschen Griff zurück.
    »Du bleibst«, sagte er. »Ich brauche Hilfe, um die Tür zu schließen.«
    Wieder hatte ich das unbestimmte Gefühl, daß etwas an Ericksons Verhalten nicht so war, wie es sein sollte. Aber wieder schob ich den Verdacht beiseite. Ich wartete, bis ich an der Reihe war, bückte mich unter dem wuchtigen Türsturz hindurch und hätte um ein Haar auf dem abschüssigen Boden dahinter den Halt verloren. An die Tür schloß sich keine weitere Treppe an, sondern eine steil in die Tiefe führende, spiegelglatte Rampe, die in einen halbkreisförmigen, von flackerndem grünem Licht erfüllten Raum führte.
    Die Wände waren fugenlos und glatt. Nirgendwo war ein zweiter Ausgang zu entdecken. Wahrscheinlich war er so gut getarnt wie die Türen, die wir bisher passiert hatten.
    Ich schlitterte die Rampe hinunter, bremste an ihrem unte-ren Ende ab, trat einen Schritt zur Seite und sah nach oben.
    Ich war der letzte gewesen. Außer Erickson und dem zurück-gebliebenen Krieger waren wir alle hier unten versammelt.
    Aber Leif Erickson machte keinerlei Anstalten, uns zu folgen. Das unangenehme Gefühl in mir wurde stärker.
    »Was ist?« rief Setchatuatuan zu dem Wikinger hinauf.
    »Worauf wartest du noch?« Erickson starrte schweigend zu uns herab und rührte sich nicht.
    »Das … ist eine Falle«, murmelte Lasse. »Dieser Hund hat,
    Erickson! Du hast uns in eine Falle gelockt!«
    Ich sah, wie Setchatuatuan zusammenfuhr, erschrocken zu Lasse hinüberblickte und eine halbe Sekunde lang wie erstarrt stehenblieb. Dann flog sein Kopf mit einem Ruck in den Nacken.
    »Was bedeutet das?« keuchte er.
    »Das, was Lasse Rotbart gesagt hat«, antwortete Erickson leise. Plötzlich wirbelte er herum, so schnell, daß ich Mühe hatte, der Bewegung mit den Augen zu folgen, schlug dem Olmeken mit der Linken die Waffe aus der Hand und hämmerte ihm die geballte Rechte unter das Kinn. Der Mann ging mit einem halblauten Seufzer zu Boden und blieb reglos liegen.
    »Es tut mir leid, Setchatuatuan«, sagte Erickson. »Aber du läßt mir keine andere Wahl.«
    Er bückte sich, schälte den Mann aus seinem Mantel und schob ihn durch die Tür. Der Indio rutschte auf der schrägen Rampe nach unten und kam dicht vor Setchatuatuans Füßen zum Liegen.
    »Verräter!« keuchte Setchatuatuan. »Das hast du geplant!
    Du hast niemals vorgehabt, uns nach Aztlan zu führen! Es gibt diesen Weg gar nicht!«
    »Doch«, antwortete Erickson. Langsam nahm er den Mantel auf, legte ihn sich um die Schultern und zog ihn sorgsam zusammen, bis auch das letzte Teil seiner schimmernden Goldrüstung unter dem bestickten Kleidungsstück verschwunden war. »Es gibt ihn, Setchatuatuan, und er ist so gefährlich, wie ich euch gesagt habe. Aber dieser Kellerraum gehört nicht dazu. Ihr seid hier in Sicherheit.«
    »Hund!« kreischte Setchatuatuan. »Dafür töte ich dich!«
    Er riß seine Axt aus dem Gürtel und schleuderte sie.
    Erickson wich der Waffe mit einer fast spielerischen Bewegung aus. Setchatuatuan schrie vor Zorn auf, zerrte seinen Dolch unter dem Mantel hervor und versuchte die Rampe hinaufzustürmen.

    Er kam nicht einmal zwei Schritte weit. Der schwarze Stein war glatt

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