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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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metallisches Knacken, und in der scheinbar so massiven Felswand entstand ein haarfeiner Riß, der sich rasch zu einem Spalt und schließlich zu einem dreieckigen, halbhohen Durchgang erweiterte. Ein Schwall eiskalter, nach Staub und Moder riechender Luft schlug uns entgegen.
    Erickson wollte durch die Tür treten, aber Setchatuatuan war mit einem schnellen Schritt bei ihm und hielt ihn an der Schulter zurück.
    »Noch ein Wort, Nordmann«, sagte er leise. Seine Stimme klang drohend.
    »Ja?«
    »Wenn du uns betrügst, Erickson«, sagte Setchatuatuan,
    »wenn du irgendein falsches Spiel mit uns treibst, bringe ich dich um. Das schwöre ich dir.«
    Erickson lächelte kalt. »Ich betrüge euch nicht, Setchatuatuan. Es ist nicht mein Volk, das sterben wird. Die Leben, die heute ausgelöscht werden, hast du zu verantworten. Nicht ich.«
    Damit wandte er sich um, bückte sich unter dem Eingang hindurch und verschwand mit raschen Schritten.
    Ich tauschte einen stummen Blick mit Lasse. Der rotbärtige Wikinger sah plötzlich sehr nachdenklich aus. Auch er mußte den seltsamen Unterton in Leif Ericksons Stimme gehört haben. Aber er schien so wenig wie ich zu wissen, was er zu bedeuten hatte.
    Hinter der Tür lag ein kurzer Gang, an den sich eine schmale, in unmöglichem Winkel in die Tiefe führende Treppe anschloß. Mir schwindelte, als ich auf die oberste Stufe trat und, die Hände nach beiden Seiten ausgestreckt und sichernd an die Wände gepreßt, hinter Erickson hinabstieg.
    Die Stufen waren verschieden hoch und unterschiedlich geformt, einige von ihnen schienen sich auf bizarre Weise ständig zu verändern, und ein paarmal verschätzte ich mich und fand nur im letzten Moment mein Gleichgewicht wieder, ehe ich kopfüber in die Tiefe stürzte. Hinter mit stöhnte einer der Männer, und auch auf Lasses Gesicht perlte Schweiß, als wir endlich den Fuß der Treppe erreicht hatten.
    »Das ist … Irrsinn«, murmelte der Wikinger. »Wo führst du uns hin, Erickson?«
    »Ich habe euch gewarnt«, knurrte Erickson. »Das hier ist erst der Anfang.« Seine Stimme hallte verzerrt und vielfach gebrochen von den Wänden des schmalen Stollens wider, und die Echos gaukelten uns vor, uns in einer gewaltigen Höhle zu befinden. »Es wird schlimmer, wenn wir erst in die eigentliche Stadt eindringen.«
    Er blieb stehen und wartete, bis auch der letzte die Treppe hinter sich gebracht hatte und Setchatuatuan zu ihm und Lasse getreten war. Von oben ertönte ein leises Schleifen, und als ich den Blick hob, sah ich, daß sich die Tür hinter dem letzten Olmeken geschlossen hatte.
    »Bleibt immer dicht beisammen«, sagte Erickson mit erhobener Stimme. »Wenn hier unten jemand den Anschluß verliert, ist es aus. Wer sich hier verirrt, findet nie wieder ans Tageslicht zurück.«
    »Und wie willst du den Weg finden?« knurrte Lasse.
    »Wenn doch angeblich keiner weiß, wie es in diesen Katakomben aussieht?«
    Erickson schwieg einen Moment. »Ich … kenne den Weg«, antwortete er zögernd. »Ich war … einmal hier. Es ist lange her, aber ich erinnere mich. Nicht weit von hier liegt eine gewaltige unterirdische Halle. Ein Teil ihrer Decke ist eingestürzt. Von dort aus kann man die Stadt betreten.«
    Seine Worte klangen nicht sehr überzeugend, aber wir hatten keine andere Wahl, als Erickson zu glauben. Es war ein wenig zu spät, um noch mißtrauisch zu werden.
    »Wenn wir uns verlieren, dann versucht diese Halle zu finden«, fuhr Erickson nach einer Pause fort. »Die meisten Gänge führen irgendwann dorthin. Und noch etwas.«
    Wieder schwieg er einen Moment. Sein Blick tastete prüfend über mein und Lasses Gesicht und saugte sich schließlich an Setchatuatuans Zügen fest. »Wenn wir auf irgend etwas stoßen, das zu leben scheint, lauft. Das gilt besonders für dich, du junger Hitzkopf. Die Bewohner dieser Stollen sind nicht mit unseren Waffen zu töten.«
    »Für jemanden, der nur einmal hier war, weißt du ein wenig zu viel über diese Höhlen, finde ich«, knurrte Lasse.
    Erickson starrte ihn an, schwieg aber. »Laßt uns weitergehen«, murmelte er nach einer sekundenlangen Pause. »Und redet von jetzt an so wenig wie möglich.«
    Schweigend setzte sich unsere kleine Armee wieder in Bewegung. Mir fiel auf, daß die Männer dichter beieinander gingen, als nötig gewesen wäre. Selbst Setchatuatuan warf immer wieder nervöse Blicke über die Schulter zurück.
    Und auch ich spürte, wie das Gefühl der Furcht in meinem Inneren mit jedem Schritt

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