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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dein Ernst!« keuchte er. »Du willst, daß wir durch dieses Teufelsmaul gehen? Es wird uns töten!«
    »Wir haben keine andere Wahl« sagte Setchatuatuan, ehe ich Gelegenheit hatte zu antworten. »Hier drinnen verhungern wir.«
    Umständlich schälte er sich aus seinem Mantel, rollte ihn zu einem Bündel zusammen und warf es durch den Spalt. Der Fels zuckte, schloß sich aber nicht wieder.
    »Aber du kannst ja hierbleiben, wenn du Angst hast«, fügte der Olmekenprinz spöttisch hinzu. Dann spannte er sich, trat einen Schritt nach vorne, und setzte mit einem eleganten Hechtsprung durch den Spalt.
    Der Fels schnappte wie ein steinernes Schildkrötenmaul nach seinen Füßen. Setchatuatuan schrie auf, als die messerscharfe Kante des Steinmaules sein Bein streifte und eine tiefe, blutende Wunde in seine Haut riß. Er fiel, versuchte den Aufprall abzufangen und schaffte es nur zur Hälfte: Seine Arme knickten unter dem Gewicht seines Körpers weg, und er schlug mit dem Gesicht gegen den felsigen Boden. Sein Schmerzensschrei vermischte sich mit dem Krachen des zuklappenden Felsmaules.
    Ich war mit einem Satz bei dem jungen Olmeken, kniete neben ihm nieder und wollte ihm aufhelfen. Setchatuatuan stöhnte, schlug meine Hand beiseite und setzte sich aus eigener Kraft auf.

    Ich erschrak, als ich sah, wie schwer Setchatuatuan verletzt war. Er mußte mit dem Gesicht auf einen der scharfkantigen Brocken gefallen sein, die den Boden bedeckten. Seine Nase war geschwollen und blutete stark, die linke Wange war aufgeschürft und sein Mund von einer häßlichen Platzwunde in zwei ungleichmäßige Hälften geteilt. Aber sein Blick war klar und loderte vor Wut.
    »Kannst du aufstehen?« fragte ich.
    Setchatuatuan starrte mich einen Herzschlag lang an, als sähe er mich gar nicht. Aber dann nickte er, versuchte sich hochzustemmen und sank mit einem wimmernden Laut wieder zurück. Mein Blick fiel auf die offene Wunde an seinem Bein. Sie war wahrscheinlich nicht sehr gefährlich, aber dafür um so schmerzhafter. Weit würde er mit diesem Bein nicht laufen können.
    »Wir müssen uns etwas einfallen lassen«, sagte ich gehetzt,
    »um den Spalt offen zu halten. Wir beide haben nur Glück gehabt. Und es darf nicht noch mehr Tote geben.«
    Setchatuatuan nickte müde. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stemmte er sich auf einem Bein hoch, starrte kurz die Wand an und sah sich dann suchend um.
    Der Fels unter unseren Füßen knisterte. In der Mauer entstand erneut ein haarfeiner gezackter Riß.
    »Was ist passiert?« drang Lasses Stimme durch die Öffnung. »Lebt er?«
    »Setchatuatuan ist verletzt«, antwortete ich. »Aber nicht sehr schlimm. Bleibt drüben, wir versuchen die Öffnung zu blockieren!«
    Inzwischen hatte Setchatuatuan entdeckt, wonach er gesucht hatte, und deutete auf einen großen, abgerundeten Felsbrocken, der wenige Schritte hinter uns im Staub lag. Ich nickte, versuchte den Stein aufzuheben und stieß mit einem überraschten Keuchen die Luft aus. Der Fels schien Tonnen zu wiegen.
    »Warte«, sagte Setchatuatuan. »Ich helfe dir.«
    Ungeschickt, nur das rechte Bein und das linke Knie benut-zend, kroch Setchatuatuan zu mir herüber, hockte sich dann auf beide Knie und hob den Felsen an einer Seite an. Auch ich versuchte es erneut, und gemeinsam gelang es uns, den Stein ein winziges Stückchen hochzustemmen und in Richtung Wand fortzubewegen.
    »Das schafft ihr nicht«, sagte Lasse. Er war dichter an die Öffnung herangetreten und verfolgte unseren Versuch gebannt, hielt aber respektvollen Abstand zu den rasiermes-serscharfen Knochenzähnen der Wand. »Ich komme euch helfen, wartet.«
    Ich wollte widersprechen, aber Setchatuatuan hielt mich mit einem raschen Kopfschütteln zurück. Lasse hatte recht,
    der Felsen war zu schwer für uns allein. Und wir wußten nicht, wie lange die Wand noch offenbleiben würde. »Also gut«, murmelte ich. »Versuche es. Aber sei vorsichtig.«
    Lasse Rotbart lachte leise. »Keine Angst. Ich bin vielleicht ein alter Mann, aber ich kann mich noch immer ganz gut bewegen. Tretet zur Seite.«
    Vorsichtig legte er Helm und Gürtel ab, trat ein paar Schritte zurück und spannte sich. Der Rand des Felsenmaules begann sanft zu zittern. Gleichzeitig spürte ich, wie sich irgend etwas Unsichtbares, Gieriges in den Schatten regte.
    Ich wollte noch eine Warnung ausstoßen, aber es war zu spät.
    Lasse rannte los, stieß sich mit einer kraftvollen Bewegung ab und hechtete durch den Spalt, genau wie Setchatuatuan

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