Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
ist schwindlig, er schluckt und schafft es, sich gegen den Impuls zu wehren, das Magazin seiner Pistole in die Dunkelheit abzufeuern.
Eigentlich muss er schleunigst an die frische Luft, trotzdem zwingt er sich stehen zu bleiben.
Es ist vollkommen still, er ist allein im Raum. Joona wartet einige Sekunden und kehrt dann zur Kapsel zurück. Seine Bewegungen erscheinen ihm seltsam verlangsamt, und sein Blick wandert ungewollt zur Seite. Ehe er hineingeht, dreht er das Rad in die andere Richtung, so dass die Riegel herunterklappen und die Tür nicht ins Schloss fallen kann.
Mit Hilfe des schwach glimmenden Lichts der Taschenlampe tastet er sich wieder vor. Der Lichtkegel flackert über graue Wände. Er erreicht die Couch, zieht sie vorsichtig von der Wand ab und sieht, dass auf dem Boden eine dünne Frau liegt.
»Felicia? Ich bin Polizist«, flüstert er. »Ich werde dir hinaushelfen.«
Als er sie berührt, fühlt er, dass sie glühend heiß ist. Sie hat extrem hohes Fieber und das Bewusstsein verloren. Als er sie hochhebt, beginnt ihr Körper, in Fieberkrämpfen zu zucken.
Joona hält sie in den Armen und läuft die Treppe hinauf. Er verliert die Taschenlampe und hört, wie sie klappernd die Stufen hinunterfällt. Er weiß, dass sie bald sterben wird, wenn es ihm nicht gelingt, ihr Fieber zu senken. Ihr Körper ist wieder erschlafft. Als er durch die Luke hinaufklettert, weiß er nicht, ob sie noch atmet.
Joona läuft durch das kleine Haus, tritt die Tür auf, legt sie in den Schnee und sieht, dass sie atmet.
»Felicia, du hast sehr hohes Fieber … meine Kleine …«
Er schaufelt Schnee auf sie, redet tröstend und beruhigend auf sie ein, zielt gleichzeitig jedoch unablässig auf die Türöffnung.
»Der Krankenwagen muss jeden Moment da sein«, sagt er. »Alles wird gut, das verspreche ich dir, Felicia. Dein Bruder und dein Vater werden sich unheimlich freuen, sie haben sich so sehr nach dir gesehnt, hörst du mich?«
153
Der Krankenwagen kommt , und Blaulicht flackert über den Schnee. Als die Trage zwischen den alten Häusern herangerollt wird, richtet Joona sich auf. Er erklärt den Sanitätern die Lage, hält dabei aber weiterhin seine Pistole auf Wohnung Nummer vier gerichtet.
»Beeilen Sie sich«, ruft er. »Sie hat sehr hohes Fieber, Sie müssen unbedingt das Fieber senken … ich glaube nicht, dass sie noch bei Bewusstsein ist.«
Die beiden Rettungssanitäter heben Felicia aus dem Schnee. Ihre Haare sind verschwitzt, schwarze Strähnen liegen auf ihrer bleichen Stirn.
»Sie hat die Legionärskrankheit«, teilt er ihnen mit und geht mit erhobener Waffe auf die offene Tür zu.
Er will gerade in das Haus zurückkehren, als er das rotierende Blaulicht des Krankenwagens über die Ruine des letzten Gebäudes flackern sieht. Frische Fußspuren im Schnee führen von dort weg in die Dunkelheit.
Joona läuft in diese Richtung und denkt, dass es einen anderen Ausgang geben muss, dass die beiden Häuser sich früher wahrscheinlich denselben Schutzraum teilten.
Er folgt den Fußspuren durch ein Dickicht aus Gras und hohem Unterholz, läuft um einen alten Dieseltank herum und sieht eine schlanke Gestalt, die schnell über die Kuppe der Böschung geht, die zur Sandgrube hin steil abfällt.
Joona läuft, so leise er kann.
Der Mann stützt sich auf eine Krücke, humpelt weiter, bemerkt dann, dass er verfolgt wird, und versucht, entlang der steilen Kante schneller zu gehen.
In der Ferne hört man Sirenen.
Joona läuft mit gezogener Pistole durch tiefen Schnee.
Ich werde ihn fassen, denkt er. Ich werde ihn verhaften und zu den wartenden Streifenwagen zurückschleifen.
Sie nähern sich einem beleuchteten Teil der Kiesgrube mit einer großen Betonfabrik. Das Scheinwerferlicht eines einsamen Stahlmastes beleuchtet den Grund des tiefen Kraters.
Die Gestalt bleibt stehen, dreht sich um und sieht Joona an. Der Mann steht, auf einen Krückstock gestützt, vor dem Rand der Grube und atmet mit offenem Mund.
Joona nähert sich ihm langsam und mit gesenkter Waffe.
Das Gesicht des Sandmannes ist identisch mit Jureks, aber wesentlich hagerer.
In der Ferne hört man, dass bei den alten Gastarbeiterwohnungen Streifenwagen eintreffen.
»Bei dir ist es leider nicht nach Plan gelaufen, Joona Linna«, sagt der Sandmann. »Mein Bruder kam noch dazu, mir zu sagen, dass ich mir Summa und Lumi schnappen solle, aber sie starben, bevor sich eine Chance dazu ergab … manchmal geht das Schicksal seine eigenen
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