Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
Landesmordkommission die Hand. Nathan trägt wie üblich ein dunkelgraues Jackett, sein grauer Pferdeschwanz hängt lang auf seinen Rücken hinunter.
Neben den beiden Männern steht Anja Larsson in einer silberfarbenen Bluse und einem hellblauen Rock.
»Anja hat versucht, uns zu modernisieren … wir sollen jetzt Analyst’s Notebook benutzen«, bemerkt Nathan lächelnd. »Aber wir sind zu alt für …«
»Da sprichst du nur für dich«, widerspricht Tommy schlecht gelaunt.
»Ich finde, ihr riecht alle schon ein wenig nach Recycling«, sagt Anja.
Carlos stellt sich ans Kopfende des Tischs, und sein tiefernstes Gesicht lässt selbst Benny verstummen.
»Ich möchte euch alle herzlich willkommen heißen«, sagt Carlos ohne den geringsten Anflug seines sonst üblichen Lächelns. »Wie ihr vielleicht schon gehört habt, sind im Fall Jurek Walter neue Tatsachen ans Licht gekommen und … deshalb können die Ermittlungen nicht mehr als abgeschlossen betrachtet werden …«
»Was habe ich gesagt?«, ertönt eine ruhige Stimme mit finnischem Klang.
49
Carlos dreht sich schnell um und sieht, dass Joona Linna im Türrahmen steht. Der Mantel des großgewachsenen Kriminalkommissars glitzert vom schmelzenden Schnee.
»Joona hat nicht immer Recht, nur, dass ihr es wisst«, sagt Carlos. »Obwohl, es stimmt natürlich … also diesmal …«
»Dann war Joona damals also tatsächlich der Einzige, der geglaubt hat, dass Jurek Walter einen Komplizen hatte?«, fragt Nathan Pollock.
»Ja, schon …«
»Und viele haben sich aufgeregt, als er behauptete, Samuel Mendels Familie gehöre zu den Opfern«, sagt Anja leise.
»So war es«, bestätigt Carlos kopfnickend. »Joona war zweifellos brillant. Ich war damals erst kürzlich zum Leiter der Landeskriminalpolizei befördert worden und habe vielleicht nicht immer auf die richtigen Leute gehört, aber jetzt wissen wir jedenfalls Bescheid … und können weitermachen, um …«
Er verstummt und sieht Joona an, der einen Schritt in den Raum gemacht hat.
»Ich komme aus dem Krankenhaus«, sagt er kurz.
»Habe ich etwas gesagt, was nicht stimmt?«, fragt Carlos.
»Nein.«
»Aber du findest vielleicht, dass ich noch mehr sagen sollte?«, fragt Carlos mit einem verlegenen Blick und sieht die anderen an. »Joona, das ist jetzt dreizehn Jahre her, seither ist viel Wasser den Berg hinuntergeflossen …«
»Ja.«
»Und du hattest damals absolut Recht, das sagte ich doch.«
»Womit genau hatte ich eigentlich Recht?«, hakt Joona leise nach und sieht seinen Chef an.
»Womit?«, wiederholt Carlos. »Mit allem, Joona. Du hattest mit allem Recht. Reicht dir das jetzt? Also ich finde jedenfalls, es reicht …«
Joona lächelt kurz, und Carlos setzt sich seufzend.
»Mikael Kohler-Frost geht es schon viel besser, und ich habe die Möglichkeit gehabt, ihn mehrmals zu befragen … Ich hatte natürlich gehofft, Mikael könnte den Mittäter identifizieren.«
»Das ist vielleicht noch etwas zu früh«, meint Nathan nachdenklich.
»Nein … Mikael kennt keinen Namen und kann uns auch keine Personenbeschreibung geben, … er hat nicht einmal seine Stimme gehört, aber …«
»Ist er traumatisiert?«, fragt Magdalena Ronander.
»Er hat ihn schlichtweg niemals gesehen«, entgegnet Joona und begegnet ihrem Blick.
»Das heißt, wir haben absolut nichts in der Hand?«, flüstert Carlos.
Joona tritt ein paar Schritte vor, und sein Schatten fällt in den Raum und auf den Besprechungstisch.
»Mikael nennt seinen Entführer den Sandmann … Ich habe mit Reidar Frost darüber gesprochen, und er hat mir erklärt, der Name komme von einer Gute-Nacht-Geschichte, die Mikaels Mutter den Kindern häufig erzählt habe … Der Sandmann ist demnach eine Art personifizierter Schlaf, der den Kindern Sand in die Augen streut, damit sie einschlafen.«
»Ja, genau«, sagt Magdalena und lächelt. »Der Beweis dafür, dass der Sandmann da war, ist der Grieß in den Augen, wenn man aufwacht.«
»Der Sandmann«, sagt Pollock nachdenklich und notiert sich etwas in seinem schwarzen Notizbuch.
Anja nimmt Joonas Handy und schließt es an das kabellose Lautsprechersystem an.
»Mikael und Felicia Kohler-Frosts Mutter Roseanna Kohler war Deutsche. Sie kam im Alter von acht Jahren aus Schwabach nach Schweden«, beginnt Joona.
»Das liegt südlich von Nürnberg«, ergänzt Carlos.
»Der Sandmann ist ihre Entsprechung zum schwedischen John Blund«, fährt Joona fort. »Und jeden Abend vor dem Beten hat
Weitere Kostenlose Bücher