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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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sie den Kindern eine Geschichte über ihn erzählt. Im Laufe der Jahre vermischte sie diese Erzählung aus ihrer eigenen Kindheit mit einer Menge eigener Fantasien und Fragmenten von E. T. A. Hoffmanns Wetterglasverkäufer und mechanischem Mädchen. Mikael und Felicia waren erst zehn und acht Jahre alt, und sie glaubten, der Sandmann habe sie entführt.«
    Die Männer und Frauen am Tisch beobachten Anja, die das Gerät zum Abspielen von Mikaels Aussage vorbereitet. Ihre Gesichter sind ernst. Gleich werden sie die Aussage des einzigen überlebenden Opfers von Jurek Walter hören.
    »Wie gesagt, wir können den Komplizen nicht identifizieren«, sagt Joona. »Und wenn das so ist, dann bleibt uns nur der Ort … Wenn Mikael uns zu dem Ort führen kann, dann …«

50
    Die Lautsprecher rauschen , manche Geräusche wie die von raschelndem Papier werden verstärkt, während andere ganz leise sind. Manchmal hört man Reidar weinen, so etwa, als sein Sohn über Felicias Fantasie von der Raumkapsel spricht.
    Nathan Pollock macht sich Notizen in seinem Buch, und Magdalena schreibt ununterbrochen auf ihrem Notebook, während sie lauschen.
    »Du sagst, dass man nicht fliehen kann«, ertönt Joonas ernste Stimme aus den Boxen. Trotzdem ist es dir gelungen …«
    »Es geht nicht, so war das nicht«, entgegnet Mikael Kohler-Frost schnell.
    »Wie war es dann?«
    »Der Sandmann hat seinen Grieß über uns geblasen, und als ich aufwachte, merkte ich, dass ich nicht mehr in der Kapsel war«, erzählt Mikael. »Es war stockfinster, aber ich konnte hören, dass der Raum anders war, und spürte, dass Felicia nicht in der Nähe war. Ich tastete mich vor und fand eine Tür mit einer Klinke … und dann habe ich sie einfach aufgemacht und bin in einen Gang hinausgegangen … ich glaube nicht, dass ich in dem Moment dachte, ich würde fliehen, aber ich wusste, dass ich einfach weitergehen musste … Ich kam zu einer abgeschlossenen Tür und dachte, ich wäre in einer Falle gelandet, denn ich wusste doch, dass der Sandmann jeden Moment zurückkommen würde … ich geriet in Panik und schlug die Glasscheibe mit der Hand ein, streckte mich nach unten und schloss die Tür auf … Ich lief durch ein Lager mit staubigen Zementsäcken und Kartons … und dann sah ich, dass die Wand rechts von mir nur aus aufgespanntem Plastik bestand, das festgeheftet war … das Atmen fiel mir schwer, und ich spürte, dass meine Finger bluteten, bevor es mir gelang, das Plastik herunterzureißen. Ich sah, dass ich mich an dem Fenster verletzt hatte, aber das war mir egal, ich ging über eine große Betonfläche … es war kein fertiger Raum, und ich ging einfach in den Schnee hinaus … es war noch nicht ganz dunkel geworden … ich lief an einem Bagger mit einem blauen Stern vorbei in den Wald und begriff allmählich, dass ich frei war. Ich lief zwischen den Bäumen durchs Unterholz, Schnee fiel von den Ästen, ich schaute mich nicht um, ich ging quer über einen Acker und in ein Wäldchen, als ich gestoppt wurde. Ein spitzer abgebrochener Ast hatte sich in meine Leiste gebohrt, und ich saß fest und stand einfach nur da. Blut lief mir in den Schuh, und es tat weh. Ich versuchte, mich loszureißen, aber ich hing fest … Ich dachte, dass ich den Ast abbrechen müsste, und versuchte es, aber es ging nicht, ich war zu schwach, ich blieb stehen und dachte, ich würde den Sandmann mit seinen Porzellanfingern klirren hören … Als ich mich umzudrehen versuchte, rutschte ich aus, und der Ast wurde herausgezogen. Ich glaube, ich wurde fast ohnmächtig … Ich war langsam geworden, stand aber auf, stieg eine Böschung hoch, stolperte und hatte das Gefühl, nicht mehr zu können, aber dann bin ich doch weitergeklettert und auf eine Eisenbahnstrecke gelangt. Ich weiß nicht, wie lange ich auf ihr gegangen bin, ich fror, lief aber weiter, sah in der Ferne manchmal Häuser, war aber so müde, dass ich einfach nur den Schienen folgte … Es schneite immer mehr, aber ich ging, als würde ich schlafwandeln, ich wollte nicht stehen bleiben, ich wollte weg …«

51
    Als Mikael zu Ende gesprochen hat und das Rauschen aus den Lautsprechern verstummt ist, wird es still im Besprechungszimmer. Carlos ist aufgestanden. Er kaut auf seinem Daumennagel, und sein Blick geht ins Leere.
    »Wir haben zwei Kinder im Stich gelassen«, sagt er schließlich leise. »Sie waren verschwunden, und wir haben einfach weitergelebt und behauptet, sie wären tot.«
    »Das war unsere

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