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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Auerhammer, haben Sie das alles organisiert, die Musikschule, die Unterkunft und so weiter?«, hört sie den Kare noch fragen, dann ist sie draußen. Noch immer spürt sie den Blick. Diesen Blick. Sie rennt zur Toilette und verriegelt die Tür. Tränen steigen in ihr auf, lassen sich nicht zurückhalten. Sie hat geglaubt, das Gespenst besiegt zu haben, doch der Auerhammer hat es mühelos wieder hervorgezerrt und es ihr vor das Gesicht gehalten, wie einen Spiegel. Und sie hat sich sehen können, erkennen, als Kind, so wehrlos und prall gefüllt mit unbändiger Wut.
    Der Wimmer Rudi ist eine arme Sau gewesen. Bis vor zwei Jahren hat er noch im Dachgeschoss in der Lohstraße gehaust. Etwa um die Zeit, als sich der Sandner und seine Corina getrennt haben, ist das mit dem Rudi losgegangen. Gut in den Fünfzigern ist er damals gewesen, eine gepflegte Erscheinung, immer freundlich und hilfsbereit. Jeden Morgen die Zeitung und Semmeln geholt und dazu ein steifgebügeltes Hemd getragen.
    Der Sandner kann sich noch gut an ihn erinnern, die gedrungene Gestalt, die knollige Nase und die Brille mit dem breiten Gestell. Der Abschied von Siemens war ihm nicht schwergefallen, dank der Abfindung, und die Frau hat sich gefreut, ihn öfter zu sehen – das kann man nicht als Selbstverständlichkeit betrachten.
    In der Firma waren sie froh gewesen. Für die ganzen neuen Entwicklungen scharrst du besser Leut um dich, die ihre Muttermilch schon übers Web bezogen haben. Alle hätten zufrieden sein können und es sich kommod einrichten.
    Nur der Boandlkramer hat nicht mittun wollen und die Frau Wimmer mit auf die Reise genommen. Das Herz, nichts zu machen.
    Zu der Zeit hat der Sandner so um sich und sein Dilemma gekreiselt, dass ihm lange nichts aufgefallen ist. Einmal hat er den Wimmer spätabends die Treppen hochgeschleift, weil der, voll betankt, keinen Fuß mehr vor den anderen setzen konnte. Bei den Briefkästen hat er gekauert, die haben nicht weggekonnt, wie er vor ihnen übers Leben lamentiert hat.
    Der Sandner hat auch öfter ins Glas geschaut, weil es so stad um ihn war und eine Familie sich für ihn als Fata Morgana herausgestellt hat. Verständnis hat er gehabt für die Wüste vom Wimmer.
    Aber der ist nicht mehr auf die Füße gekommen, und mit dem Lehnharter hat er den Bruder im Geiste gefunden. Geschluckt haben sie zusammen und gestritten und geplärrt, dass du gemeint hast, die Hells Angels haben ihr Vereinsheim in die Lohstraße unters Dach verlegt. Natürlich geht so was nicht lange gut, wenn man in dem Zusammenhang überhaupt von Gutgehen sprechen kann. Weil – gegangen ist es dem Wimmer schlecht. Und auf den Hund gekommen ist er, dass alles Zureden nichts genützt hat. Zu guter Letzt ist er ausgemietet worden von der Hausverwaltung, vielleicht hat er auch kein Geld mehr hergebracht.
    Wiederum hat der Sandner das nicht realisiert, weil er sich in die Arbeit gewühlt hat wie ein Dachshund. Bis er im Hausgang einmal auf eine junge Frau getroffen ist, die längst im Dachgeschoß eingezogen war.
    Dass der Lehnharter und der Wimmer sich in der Schlussphase ihrer feuchten Beziehung nur noch abgehackelt haben, wie die Frettchenrüden in der Ranz – Geruch dito –, das hat er ab und zu mitbekommen. Ohren hat er ja noch gehabt, der Sandner.
    »Der Wimmer war des, die Drecksau, die dreckige. Der hat bestimmt noch einen Schlüssel von da herin«, hat der Lehnharter vorhin zu ihm gesagt.
    Da hätte er dem Hauswart die Geschichte erzählen können, wie der Wimmer die Ursache gewesen ist, dass der Wenzel mit der Corina anbändeln hatte können. Beinahe hätte er ihn nicht erkannt, da war nicht mehr viel geblieben vom semmelholenden Nachbarn. Wie er ihn hat liegen sehen, bei der Großhesseloher Brücke, ist es ihm durch und durch gegangen. Von einer natürlichen Todesursache hätte man reden können. Körper und Geist hatten aufgegeben.
    Der Sandner hat sich seinen Kinderglauben herbeigesehnt, nur für einen Moment. Dann hätte er den Wimmer bei seiner Frau sitzen sehen können, von der Sonne beschienen, auf einem Bankerl – droben.
    All das hat er dem Lehnharter nicht geschildert.
    »Soso, der Wimmer«, hat er bloß gemeint und dass er sich drum kümmern würde.
    »Sonst kümmer ich mich um die Bachratz, die greisliche, man trifft sich im Leben immer zweimal«, hat der Lehnharter gelallt und dem Sandner zwei Finger vor das Gesicht gehalten. Die langen krummen Nägel mit dem schwarzen Rand haben den Sandner fasziniert, da braucht

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