Der Sandner und die Ringgeister
türkische Gesprächsfetzen schnalzen ihm um die Ohren.
»Servus, Sandner«, hört er ein paar Mal. Vom Ömer, dem Besitzer, und vom Miran hinten in der Ecke. Irgendjemand erzählt von der Perlhuhnjagd nahe der syrisch-türkischen Grenze, ein anderer hat sich offenbar gerade ein Quad geleistet. Gestenreich beschreibt er den ersten Ausritt. Mittendrin steht der Polizist, wartet, dass Ömer ihm seine umfangreiche Bestellung zusammenpackt.
»Hast du schon einmal Perlhuhn mit Fenchel-Couscousfüllung gegessen, Erol?«, fragt er den stämmigen Vogeljäger im ballonseidenen Jogginganzug auf Deutsch.
»Couscous ist Schmarrn, schwules Huhn, verstehst du? Bec Tavugu macht meine Großmutter immer mit dem Grill. Es gibt nichts Besseres, Sandner. So zarte Brüstchen, musst du mal probieren.«
»Was du abgeknallt hast, war Spatz, Erol, ein mickriger, grauer Vogel«, ruft ein alter Zausel, ohne den Blick vom plärrenden Fernseher zu lassen.
»Da kenn ich aber noch einen Spatz«, brüllt der Erol zurück. Ins Gelächter hinein meint der Sandner, dass er gern mal vorbeischauen tät beim Großmütterlein, auf ein Huhn.
»Wenn ich zufällig mal am Euphrat bin, zum Ausspannen oder so.«
»Ach, Scheiße ist es da, nichts los, da war ich als Soldat«, vermeldet Ömer und gibt ihm die prallgefüllte Plastiktüte.
Der Sandner schnuppert verzückt.
»Wenn du willst, mach ich dir Cerkez Tavugu, hast du noch nie so gut gegessen, das schwör ich dir. Tränen weinst du. Musst du mir einen Tag vorher sagen. Was du auch vorhast, das sollte der Auftakt sein«, fügt er noch schmunzelnd hinzu. Wohlmeinende und zweideutige Ratschläge für die Gestaltung des Abends werden ihm hinterhergeschickt, als er den Raum verlässt.
Dem Ömer hätte er den Gockel vorbeibringen sollen, statt seinem grantelnden Leibarzt. Tscherkessenhuhn hätten sie verdrückt, bis zum Platzen. Wenn du ständig auf Scheiße triffst, mach dich getrost zur Fliege, und flugs bist du im Schlaraffenland. Just in time ist der Sandner. Er packt den Einkauf in die Küche und überlegt sich gerade, ob er die Mütze auflassen soll, da schellt die Türklingel. Er reißt an der Kopfbedeckung, und den Verband zieht es gleich mit. Ratlos steht er da. So schlimm wird es schon nicht sein. Er zuckt die Achseln und öffnet.
»Ja Scheiße!«, ruft die Fuchs.
Er sagt nichts. Starrt sie nur an, die Wollmütze und den verkrusteten Verband in der Hand. Superlativ von schlimm? Irgendein Kasperl hat die depperte Haustür offen gelassen, sonst hätte er ausreichend Zeit gehabt, sich zu verhüllen. Herrschaftsverreck!
»Ich komm gleich, gehens nur rein«, fordert er die Frau auf, dann verschwindet er im Bad. Er sieht gleich, was sie kommentiert hat. Da packt ihn selbst das Gruseln. Als hätte jemand auf seinem Schädel zünftig Brotzeit gehalten und sich dabei eine Blutwurst, frisch von der Sau, einverleibt. Braune, klebrige Haarmasse. Er schaut zwischen Mütze und Mull hin und her.
An der Badtür klopft es.
»Alles okay?«, hört er ihre Stimme, »oder soll ich nicht doch wieder gehen?«
»Na, bleibens. Ich mein, gehens dawei ins Wohnzimmer, ich komm gleich.« Notdürftig wickelt er den Verband wieder um seinen Schädel, unprofessionell – zumindest verschonender Sichtschutz. Kaum aus dem Bad, schellt es wieder an der Tür. Die Fuchs ist offensichtlich im Wohnzimmer. Oder ist sie wieder gegangen und hat es sich anders überlegt?
»Frau Fuchs?«, ruft er.
»Ja«, kommt es aus der Stuben.
»Glei bin i da«, versichert er ihr. Er reißt die Wohnungstür auf. Bekanntes Sprücherl im neuen Kleid:
»Mein Gott, Josef, wie schaust denn du aus!«
»Kathrin, was machst denn du da?«
»Ich ...«, bringt dem Kare seine Perle noch heraus, dann schluchzt sie los.
Dem Sandner versagt die Imprägnierung, der Stress wandert unter die Haut. Mit der Kathrin an seiner Brust pappend, schaut er zum Wohnzimmer hin. Im Türrahmen steht die Frau Fuchs und beobachtet die Szene. Sie hat ihre Lederjacke noch an und könnte ohne Aufhebens verschwinden. Sag nur ein Wort.
»Das ist die Frau meines Kollegen«, erklärt der Sandner. Sauber. Mit einem Satz, das Wesentliche zusammengefasst. Einen größeren Ochs kannst du lange suchen in Giesing.
Die Beschriebene macht sich von ihm los und schnieft.
»Tut mir leid, Josef, aber ich erreich den Kare ned, seit gestern früh. Nur den jungen Burschen hab ich gesprochen heut Abend, der Kare wär nicht da, hat er gesagt, aber der klang so komisch, und das Handy ist
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