Der sanfte Kuss des Todes
Die Scheune maß etwa vier mal sechs Meter, und an der Tür hing ein nagelneues Schloss.
»Edles Schloss«, bemerkte Jack und ging hin.
Carlos nahm seine Taschenlampe und folgte ihm. Er richtete den Lichtkegel auf ein Fenster, aber wie Jack vermutet hatte, war die Scheibe geschwärzt.
»Was, denkst du, bewahrt er darin auf?«
»Wir haben keinen Durchsuchungsbeschluss«, erinnerte Carlos ihn.
Jack starrte die Scheune ein paar Sekunden an, die Hände in die Hüften gestemmt. Dann nahm er einen Stein und …
»Jack!«
… schmiss das Fenster ein. Er nahm seine kleine Taschenlampe und leuchtete hinein.
»Verdammt«, murmelte er.
Carlos trat neben ihn. Vor ihnen stand ein blauer Hyundai Elantra.
Aber noch verstörender als das Auto war der ekelerregende Geruch, der durch die zerbrochene Scheibe nach draußen drang.
Carlos hustete. »Diesen Geruch kenne ich.«
»Geh zurück zum Pick-up, Chief.«
»Warum?«
Jack ging um die Scheune herum. »Weil du nicht Zeuge sein willst, wie ich das Tor eintrete.« Er trat mit voller Wucht gegen das morsche Holz, und Splitter flogen in alle Richtungen.
»Scheiße noch mal«, sagte Jack, als er das Nummernschild gelesen hatte. »Es ist tatsächlich ihr Auto. Direkt vor unserer Nase. Danach suchen wir seit zehn Tagen.«
Er umrundete das Auto und sah durch die Fenster ins Innere, dann ging er zum Kofferraum. »Gib mir den Wagenheber.«
Aber Carlos hatte eine bessere Idee. Er zog sein Hemd aus dem Bund und wickelte sich einen Zipfel um die Hand, damit er beim Öffnen der Fahrertür keine Fingerabdrücke hinterließ. Dann beugte er sich vor und betätigte den Knopf zum Öffnen des Kofferraumdeckels.
Jack leuchtete hinein. »Heilige Scheiße.«
»Was ist?«
Der Gestank raubte ihm schier den Atem, und der Anblick … Die Stirn zierten zwei hübsche, saubere Schusswunden, aber der Rumpf war etwas anderes. Er sah aus, als sei er ausgeweidet worden. Jack trat einen Schritt zurück und schluckte ein paarmal, um den Impuls, sich zu übergeben, unter Kontrolle zu bekommen.
»Was ist da drin, J. B.?«
»Ich glaube, wir haben Viper gefunden.«
Lowells Haus verschwand langsam im Rückspiegel seines Pick-up, als Jack zurück auf den Highway jagte.
»Wie weit ist es? Dreißig, vierzig Kilometer?«
Carlos klappte gerade die Karte auseinander, als sein Handy klingelte.
»Santos«, sagte er zu Jack und ging ran. Er gab dem FBI-Mann eine kurze Zusammenfassung über die Funde, die sie bei Lowell gemacht hatten. Er ließ sich allerdings nur vage darüber aus, auf welche Weise genau die Scheibe der Scheune zu Bruch gegangen war, und dann hörte er eine Weile zu, was Santos zu sagen hatte. Er sah zu Jack. »Ja, der sitzt neben mir.« Er reichte Jack das Handy.
Jack nahm es. »Ja?«
»Hier Santos. Sie müssen Fiona anrufen. Auf Sie wird sie hören. Machen Sie ihr klar, dass sie sich von dem Haus fernhalten soll. Ich habe die Schencks überprüft, ich glaube, wir haben unseren Mann.«
»Reden Sie schon.«
»Es geht um einen Scott Schenck, achtunddreißig, Beruf unbekannt. Er stammt aus Meyersberg in Texas und hat dort die Highschool besucht. Letzte bekannte Adresse ist eine Wohnwagensiedlung in Maricopa County, Arizona. Wie sich gezeigt hat, ist er kein unbeschriebenes Blatt. Er wollte einer militanten Bürgerwehr beitreten, wurde aber von dem Anführer abgewiesen, weil er, Zitat, ›sich nicht in die Gruppe einfügte‹.«
»Mal was Neues.«
»Vor ein paar Jahren geriet er ins Visier verdeckter Ermittler, weil er wiederholt bei Treffen der Aryan Nations in Utah und Arizona erschien. Seither ist er abgetaucht. Keine Einkommenssteuererklärung, nichts.«
»Hört sich nach einem richtig sympathischen Kerl an.«
»Da ist noch was. Ich habe hier ein Fax von der Polizei in San Antonio, wo Schenck mit einer – und jetzt aufgepasst – Gabriela Vega zusammenlebte. Sie hat vor zwölf Jahren versucht, ein Kontaktverbot gegen ihn zu erwirken. Sie hat damals bei der Polizei zu Protokoll gegeben, dass sie sich von ihm getrennt habe und er sie nicht in Ruhe ließe. Sechs Monate später taucht die Leiche von Gabriela Vega mit einer Schusswunde in der Stirn auf, laut Obduktionsbefund allerdings ein Selbstmord.«
»Ein Schuss in die Stirn, genau wie bei Viper.«
»Ja, eben«, sagte Santos. »Die Polizei hat Schenck vernommen, aber er hatte offensichtlich ein Alibi. Wir haben es mit einem gefährlichen, extrem gewalttätigen Mann zu tun. Wenn es irgendetwas gibt, womit Sie Fiona von dort
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