Der sanfte Kuss des Todes
zurück, um die Arbeit zu begutachten. »Nicht schlecht. Danke für die Hilfe.«
»Keine Ursache.«
Courtney ging ins Bad und zog auf dem Weg dorthin ihren Pullover aus. »Was dagegen, wenn ich mir für heute Abend etwas zum Anziehen von dir borge? Ich bin mit David zum Essen verabredet.«
Fiona musterte den tätowierten Lotos auf der Schulter ihrer Schwester. »Ich dachte, er wohnt in Dallas.«
»Tut er auch. Aber er hat in letzter Zeit ziemlich viel hier zu tun.« Courtney lächelte sie über die Schulter an. »Ich glaube, er mag mich.«
Fiona lehnte den bespannten Rahmen gegen die Wand und folgte Courtney ins Bad. Ihre Schwester zog gerade den Duschvorhang zurück und drehte den Heißwasserhahn auf.
»Und du? Magst du ihn auch?«
Courtney wich ihrem Blick aus, was immer verräterisch war.
»Ist er nett?«
»Ja.« Courtney nahm ihre Ohrringe ab. »Er behandelt mich gut. Er spricht mit mir. Er erzählt mir von seinen Fällen. Seine Arbeit ist wirklich interessant.«
Fiona erinnerte sich, dass der Mann Anwalt war. So wie sie ihre Schwester kannte, würde sie spätestens in einer Woche davon reden, ein Jurastudium anzufangen.
Nicht dass Courtney für ein Studium nicht intelligent genug wäre – das stand außer Frage. Sie hatte nur nicht besonders viel Durchhaltevermögen.
»Hör auf, dir Sorgen zu machen«, sagte Courtney.
»Ich mache mir keine Sorgen.«
»Doch, das tust du. Das sehe ich doch. Entspann dich. Ich will ihn ja nicht gleich heiraten oder so.«
»Wo hast du dir diese Tätowierung machen lassen?«, fragte Fiona, um das Thema zu wechseln.
»Welche, den Lotos?«
»Hast du mehr als eine?«
»Ja, ich habe auch noch Yin und Yang.« Sie zog ihren Rock nach unten und zeigte Fiona das schwarz-weiße Zeichen
unterhalb ihres linken Hüftknochens. »Das habe ich mir vor ungefähr einem Jahr machen lassen. Beide Male in einem Studio downtown.«
»Hm …« Fiona strich mit den Fingern über die Tätowierung. »Hat es wehgetan?«
»Nicht sehr.« Courtney grinste. »Warum? Willst du dir auch eine zulegen?«
»Ich bin nur neugierig.« Fiona lehnte sich gegen das Waschbecken. »Sagen wir mal, ich hätte gern ein Hakenkreuz. Kann ich einfach in ein Studio gehen und die machen das, oder ist so was tabu?«
Courtney klappte den Klodeckel herunter und setzte sich darauf, um ihre Schuhe auszuziehen. Sie hatten schmale schwarze Riemchen um die Knöchel und sehr hohe Absätze, die toll aussahen, aber das Gehen vermutlich zur Qual machten.
»Ein Tattoo, das tabu ist«, überlegte Courtney laut. »Gibt es das überhaupt?«
»Ich würde also alles bekommen, was ich will?«
Courtney zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, wirklich. Da müsstest du dich erkundigen. Ich habe noch nie mitbekommen, dass jemand irgendwelchen Neonazi-Scheiß wollte. Vielleicht wird darüber aber auch einfach nicht geredet, und sie machen es im Hinterzimmer.«
»Und wo müsste ich hingehen?«
Courtney grinste. »Willst du das wirklich tun? Da komme ich mit.«
»Ja?«
»Klar, das wird lustig. Wir können uns Tattoos ansehen, Piercings. Das ist nur zu Recherchezwecken, oder? Du hast nicht wirklich vor, dir so was machen zu lassen?«
Fiona rümpfte die Nase.
»Tu bloß nicht so überheblich«, sagte Courtney. »Zufällig glaube ich nämlich, dass du mit einem Nabelpiercing wahnsinnig sexy aussehen würdest. Bei Jack würde wahrscheinlich ein Blick genügen und er hätte schon einen Orgasmus.«
»Wir schlafen nicht miteinander.« Noch nicht.
»Egal. Ich gehe mit dir in einen der Läden in der Sixth Street.« Courtney warf einen Blick auf ihre Uhr, bevor sie sie abnahm und auf den Toilettentisch legte. »Wir müssten allerdings bald los. Um neun treffe ich mich mit David.«
Fiona stieß einen Seufzer aus und vergrub das Gesicht in den Händen. »Mein Gott, was stimmt bloß nicht mit mir? Ich sollte heute Abend malen. Stattdessen ziehe ich durch irgendwelche Tätowierstudios.« Sie sah Courtney an. »Wenn ich diese Bilder nicht bald fertig habe, dann kann ich meine Karriere in den Wind schreiben, bevor sie richtig begonnen hat.«
Courtney zog eine Augenbraue hoch. »Welche Karriere meinst du?«
»Meine Karriere als Malerin! Die, für die ich sechs Jahre Studium auf mich genommen habe. Die, von der ich träume, seit ich ein kleines Mädchen war. Ich gebe das alles auf, Court!«
Courtney legte den Kopf schief. Sie hatte diesen liebevollen Blick, den Fiona von keinem anderen Menschen auf der Welt kannte. »Du hast bereits
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