Der sanfte Kuss des Todes
Hakenkreuz-Typ aus. Hast du dir das gut überlegt?«
»Es ist nicht für mich. Ich mache nur ein paar Recherchen.«
Das schien ihn etwas zu beruhigen und er lächelte wieder. »Gut. Du wirkst auf mich eher wie eine Künstlerin.«
Fiona warf Courtney einen Blick zu. Wie konnte er das wissen?
Er verschränkte die Arme und betrachtete ihre Haare. »Ich könnte mir für dich irgendetwas Keltisches vorstellen. Vielleicht ein Kreuz. Oder einen Lebensbaum.«
»Ich will keine Tätowierung.«
»Warum nicht?«, fragte er.
»Ja, warum eigentlich nicht?«, echote Courtney.
Fiona suchte fieberhaft nach einem Grund.
»Sie findet, es sieht billig aus«, flüsterte Courtney unüberhörbar.
»Das ist nicht wahr!«
Ihre Schwester verdrehte die Augen.
»Ich will mich einfach nicht so festlegen«, erklärte Fiona. »Mich ödet sogar mein Duschvorhang nach einem halben Jahr an. Außerdem ertrage ich keine Schmerzen.«
Der Mann lächelte. »Es ist nicht so schlimm, wie du denkst.«
»Ja, beim letzten Mal habe ich kaum was gespürt«, sagte Courtney. »Aber wir können dich natürlich auch betrunken machen und dann wiederkommen. Gleich nebenan ist eine Bar.«
Fiona sah ihre Schwester scharf an. »Ich bin hergekommen, um ein paar Fragen zu stellen.«
»Siehst du, was ich meine? Viel zu ernsthaft.« Courtney seufzte. »Ich sehe mich mal ein bisschen um.«
Sie ging weg und Fiona wandte sich wieder dem Mann zu.
»Nur zu.« Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Frag, was du willst.«
Jack hatte nicht viel für Sprichwörter übrig, aber manchmal war es eben einfach so, dass die Not kein Gebot kannte. Außerdem hatten sie im Sunrise Donuts guten Kaffee. Jack war bei seiner zweiten Tasse angelangt – und seinem dritten Donut mit Schokoglasur -, als sein Handy klingelte.
»Wusstest du, dass eines der größten Tätowierstudios in diesem Staat weniger als eine Stunde von dir entfernt ist?«
Jack nahm das Telefon vom Ohr und sah auf das Display. Ja, es war Fiona. »Würdest du das noch mal wiederholen?«
»Ich sagte, dass eines der größten Tätowierstudios in diesem Staat – sie selbst bezeichnen ihren Laden als Salon – an der Interstate 35 liegt, keine achtzig Kilometer von dir entfernt. Ich habe den ganzen Vormittag dort verbracht, es war einfach faszinierend.«
»Na so was.«
»Bei einigen der Piercings dreht es dir den Magen um, deshalb habe ich mir hauptsächlich Tätowierungen angesehen. Die machen alles – exotische Tiere, Stammeszeichen. Du kannst dir sogar eine Promi-Tätowierung machen lassen. Wusstest du, dass The Rock einen Brahma-Stier auf dem rechten Oberarm hat?«
Jack fuhr gerade durch Downtown und fand es für einen Samstagmorgen ungewöhnlich ruhig. Er schrieb es dem Wetter zu. »Sprichst du von dem Wrestler?«
»Ja. Der Stier steht für Männlichkeit. In diesem Teil von Texas ist das ein ungemein beliebtes Motiv, habe ich mir sagen lassen.«
»Sehr interessant, Frau Professor. Mit Football hat das natürlich überhaupt nichts zu tun.«
»Womit?«
Jack seufzte. »Egal. Hey, falls du über Body Art nachdenkst, sollte ich dich warnen, dass das Gesundheitsamt
dem Laden ständig Strafen aufbrummt, weil sie verdreckte Instrumente verwenden.«
Jack wusste genau, dass sie kein Interesse an einer Tätowierung hatte. Und genauso wusste er, warum sie ihren hübschen Hintern hierherverfrachtet hatte. Sie folgte der Spur mit dem Hakenkreuz.
Er war beim Polizeigebäude angekommen und stellte seinen Pick-up auf dem für ihn reservierten Parkplatz ab. »Ich dachte, du hattest vor, das ganze Wochenende zu malen.«
»Stimmt, und das werde ich auch. Ich hatte da nur so eine Idee, und der wollte ich nachgehen.«
Jack machte den Motor aus und sah durch die Windschutzscheibe. Es graute ihm davor hineinzugehen. Auf seinem Schreibtisch türmten sich die Akten einen halben Meter hoch, und eine war ihm so egal wie die andere. Alles, was er wollte, war, den Mord an Natalie Fuentes aufzuklären. Das war bereits vorher sein Ziel gewesen, aber jetzt, da das Opfer identifiziert war, ließ ihn der Gedanke überhaupt nicht mehr los. Natalie war eine lebensfrohe, junge Frau voller Energie gewesen, genau wie Lucy vor dem Überfall.
»Du hast deinen Samstagvormittag also bei Texas Ink verbracht.«
»Ja.«
»Lass mich mal raten«, sagte er, »du hast ein paar Zeichnungen mitgenommen und sie herumgezeigt.«
»Niemand hat ihn erkannt. Aber ich habe einen Hinweis für dich.«
Jack knirschte mit den Zähnen.
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