Der sanfte Kuss des Todes
eine Karriere gemacht. Und du bist gut.«
»Aber damit will ich aufhören.«
»Tatsächlich? Mir scheint, dass du das schon längst getan hättest, wenn du es wirklich wolltest.«
Das Egyptian Cat lag am Ende der Sixth Street, hinter mehreren überfüllten Bars und Clubs, aus denen Musik dröhnte. Fiona folgte Courtney ins Innere, froh, den Horden von College-Studenten und der kalten Abendluft zu entkommen.
Drinnen war es warm. Über den Lampen hingen Tücher mit verschlungenen Mustern und tauchten den Raum in ein gedämpftes Licht. Sitarmusik umgab sie, und es kam ihr vor, als hätte sie ein indisches Restaurant betreten und kein Tätowierstudio.
»Nicht ganz das, was ich erwartet habe«, sagte sie und zog ihren Mantel aus. An der hinteren Wand des Raums hing ein safrangelber Vorhang, dahinter war ein leises Surren zu vernehmen.
»Ich weiß. Ist es nicht toll?« Courtney führte sie zu einer Wand, die mit Zeichnungen bedeckt war. Fast alle Muster sahen fernöstlich aus. Dazwischen entdeckte Fiona aber auch ein paar keltische Symbole. Einige Hieroglyphen. Wo waren all die nackten Frauen und Motorradfahrerembleme? Dieser Laden wirkte fast ein bisschen zu gediegen für ihre Zwecke.
»Ich mag den Raucherstäbchen-Geruch«, sagte Courtney, während sie die Zeichnungen studierten. »Das lenkt einen von der Nadel ab.«
Fiona sah sie skeptisch an. Sie bezweifelte, dass es außer einer Dosis Morphium irgendetwas gab, das sie von der Nadel ablenken könnte.
»Das da würde dir stehen.« Courtney deutete auf ein chinesisches Schriftzeichen. »Es bedeutet doppeltes Glück. Vielleicht würde es dich ein bisschen fröhlicher machen.«
»Ich bin fröhlich.«
»Klar doch.«
»Was soll das heißen?«
»Ich weiß nicht, wann ich dich das letzte Mal habe lächeln sehen. Du musst Stress abbauen. Gönn dir ein bisschen Spaß.«
»Ich habe Spaß«, sagte Fiona trotzig.
»Du hattest keinen Spaß mehr, seit du dich von Aaron getrennt hast.«
»Das ist nicht wahr.«
»Die ganze Zeit tust du nichts außer arbeiten. Und du gehst Männern aus dem Weg.«
»Tu ich nicht.«
Courtney bedachte sie mit einem »Ja, ja, schon recht«-Blick. »Und was war mit Jack neulich? Warum hast du ihn nicht mitgenommen?«
»Weil du da warst.«
»Ich war schon am Gehen. Du hättest ihn mit hochbringen können. Er sieht toll aus. Und ich glaube, er würde dir guttun. Er wirkt vertrauenswürdig.«
Fiona biss sich auf die Zunge. Von Courtney brauchte sie wirklich keine Beziehungsratschläge. Die längste Beziehung ihrer Schwester hatte drei Monate gedauert.
»Reg dich nicht gleich auf.« Courtneys Blick wurde milder. »Ich sage ja nur, dass du wieder ausgehen solltest. Lass die Zügel ein bisschen lockerer. Nicht jeder da draußen will dir wehtun.«
Ein Mann mit kurzgeschorenen Haaren kam hinter dem Vorhang hervor und ersparte Fiona eine Antwort. Er war braun gebrannt, muskulös, und seine Arme waren von oben bis unten mit Tätowierungen bedeckt, die wie Stammessymbole aussahen.
»Hallo, ihr beiden.« Er trat näher und nahm Fiona ins Visier. »Kann ich euch helfen?«
Sie war sprachlos. Für gewöhnlich steuerten Männer als Erstes auf Courtney zu. Es musste an ihrer Kleidung liegen. Sie trug einen tief ausgeschnittenen dunkelroten Pulli mit Trompetenärmeln und enge, auf der Hüfte sitzende Jeans.
»Wir hätten ein paar Fragen an dich«, antwortete Courtney an ihrer Stelle. »Aber wir wollen dich nicht von der Arbeit abhalten. Hast du viel zu tun?«
»Heute Abend ist nicht viel los.« Er lächelte und richtete seinen Blick erneut auf Fiona. »Was kann ich für euch tun?«
Sie räusperte sich und versuchte, nicht auf die Ringe in seinen Lippen zu starren. »Ich habe mir gerade die Zeichnungen angesehen. Was macht ihr hier denn alles?«
Das klang reichlich vage, aber sie war ein bisschen durcheinander von dem Blick aus seinen sinnlichen schwarzen Augen.
»Was immer du willst. An was hast du denn gedacht?«
»Was ist mit Hakenkreuzen?«, platzte sie heraus, und seine Augenbrauen schossen in die Höhe.
»Sie meint das rein hypothetisch«, mischte Courtney sich ein. »Würdest du ein Hakenkreuz stechen? Wenn jemand danach fragt?«
Er sah von Fiona und Courtney und wieder zurück zu Fiona. »Ich nicht. Aber das liegt an meiner Einstellung. Es findet sich bestimmt jemand anders, der es macht. Hier jedenfalls nicht.«
»Wo müsste ich hingehen?«, fragte Fiona.
Er musterte sie von oben bis unten. »Du siehst gar nicht wie der
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