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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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der einheimischen Dirnen, die, gutturalen Schmelz auf der Zunge, sich seiner versichern wollten. Denn sie sahen wohl, daß dieser Halbwüchsige ihre Sprache rede, und versprachen sich eine erheiternde Unterhaltung von dem kaum erblühten Leib, der sich ihnen in so adretter Verfassung zur Verfügung stellen wollte. Und vor Daûds Blick verschwammen die vielen ihm zugewendeten Gesichter zu einem einzigen: zu dem eines ihm von diesem Augenblick an einzig zusagenden Idols: dem eines breithüftigen Weibes.
    Es hockte, die fetten Schenkel in stumpfer Sinnlichkeit gespreizt, auf einem Stuhl, die dick mit Kohle nachgefärbten Wimpern halb geöffnet, und die schiefstehenden, großen Augen von glanzloser, in mattem Emaille schwimmender Schwärze. Auf der gelben Haut der Backen flammte grelle Schminke. Und dies Weib, das sich aus allen zusammensetzte, die er sah, trug ein nachschleppendes, tapetenähnlich gemustertes Kleid und war von goldenen Schaumünzen überdeckt, die bei den trägen Bewegungen blechern erklirrten. An ihrenprallen Armen schimmerten obszöne Tätowierungen, und ihre gelbrot gefärbten Fingernägel spielten hinter dem lackschwarzen, hart an den kleinen Kopf gekämmten Haar im Nacken, während sie den Bauch brutal in die Gasse vorwölbte, dem Schwarm der schwatzenden, kindlichen Männer zu, die prüfend und abschätzend an ihr vorüberwandelten.
    Oh, das war die große Babylon, die der kleine Daûd sah, und während er sie erkannte, verfiel er ihr mit Haut und Haar. Sie gab ihm Erfüllung und tat es spielerisch; und doch vermochte sie ihn dazu, von jetzt an in ihrer Sphäre zu kreisen, sein Leben lang sich in eben dem Kreis zu drehen, den keiner derer, die Tarbusch tragen, wenn sie auch um ihrer Habgier willen fremden Göttern dienen, ungestraft überschreiten kann!
    Die Dirnen saßen zusammengedrängt wie Tauben, die schimmernd ihre Brüste blähen. Sie saßen im Freien; sie hatten es sich vor den Freudenhäusern, die hier Wand an Wand lehnen, auf Strohstühlen bequem gemacht. Sie saßen rittlings und entblößten weiße und violette Strümpfe bis zum Knie. Ab und zu wedelten sie abwehrend mit ausgeschnittenen, hochgestöckelten Schuhen, die samtene Pompons trugen. Sie taten das, wenn ein Kunde ihrem Geschmack nicht entsprach. Von den Balkons über ihnen, aus rotflammenden Zimmern, aus muffigen, schlecht gelüfteten Korridoren heraus schwang eine kreischende Lautwelle:schachernder Stimmenwirrwarr, von Zoten durchsetzt. Zuweilen dröhnte eine zerschellende Flasche dazwischen ...
    Sadik blieb jedoch nicht stehen, wiewohl Daûd das gewünscht hätte. Bald befanden sich die beiden in einer schmalen Seitengasse, die hügelig verlief. Auf einmal hörte Daûd ein leichtes, um alle Ecken rinnendes Kreischen, und sämtliche Weiber waren wie mit einer Zauberrute in ihre offenen Behälter zurückgescheucht: der Nachtwächter, in brauner Uniform, und mit einem braunen Filztarbusch ohne Quaste, war, seinen Nabbût unter der Achsel, auf der abendlichen Runde. Nur ein Häuflein feile Knaben, die bleifarbenen, gemalten Gesichter halb unter den Fransen ihrer seidenen Schals versteckt, blieben auf ihrer Bank an der blaugestrichenen Mauer einer Kuttab sitzen, üppig gekleidet, mit Ketten behangen, und sogen apathisch ihren Zigarettenrauch durch die Lungen ... Stechende Parfüms von sich strahlend, saßen sie gleichwohl einsam wie Ratten in ihrem Unrat, und grübelten teilnahmlos in das grelle Licht. In ihrer Mitte thronte, sie an Prunk noch überbietend, ihr Besitzer und Meister: ein riesiger Abessinier in einer Weiber-Abaja. Seine braunen Arme waren bis zum Ellbogen mit dicken Goldklunkern behängt, und an seinen Fingern, die träg auf den Knien ruhten, glitzerten ellipsenförmige Ringe mit Solitären von märchenhaftem Wert ...
    Sadik nun trat in eine halbgeschlossene Schenke ein. Am Eingang saßen Weiber, die sich neugierig vorbeugten und denen Sadik im Vorbeigehen familiäreNasenstüber versetzte. Ein Kreischen der Belustigung erhob sich, als man Daûds ansichtig wurde. Ein Geruch von schlechtem Schmorfett schlug aus der Tür hinter der primitiven Bar hervor, auf deren Aufsätzen grün und rötlich blinkende Flaschen mit finsteren Etiketten prangten. Ein schiefblickender, angeheiterter Kellner mit schmutzig-zitronengelbem Gesicht wies den Gästen ein Marmortischchen an. Sadik ließ sich von Daûd einiges Geld überweisen, worauf er lärmend bestellte. Der zitronengelbe Gauner klatschte in die Hände und brüllte die

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