Der Sarg: Psychothriller
der Frau fortan in Saus und Braus zu leben.«
Menkhoff nickte. »Ja, das klingt schon mal nach einem handfesten Motiv. Aber Sie haben bei Ihren Überlegungen eines vergessen: Nichts ist verdächtiger, als jemand, der Dinge verheimlicht oder nicht die Wahrheit sagt. Und das kommt nun zu Ihrer Beschreibung noch hinzu.«
Sie sahen sich eine Zeitlang an, dann sagte Glöckner: »Inge war alles andere als eine gefühlvolle Frau, im Gegenteil, sie konnte sehr kaltherzig und zynisch sein. Zärtlichkeit war für sie ein Ausdruck von Schwäche, Berührungen duldete sie schon recht schnell gar nicht mehr. Nein, wir haben keine gute Ehe geführt. Aber ich habe mit ihrem Tod nichts zu tun.«
»Warum haben Sie sie geheiratet«, fragte Reithöfer, die noch immer auf der Couch saß. »So, wie Sie Ihre Frau beschreiben, kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, dass sie gravierend anders war, als Sie sie kennenlernten. Warum also die Heirat?«
Glöckners Blick saugte sich an einer Stelle auf dem Fußboden zwischen Reithöfer und ihm fest. »Wegen des Geldes. Ich war damals hoch verschuldet und hatte keinen Job, und als Inge mir vorgeschlagen hat zu heiraten, war das die Lösung all meiner finanziellen Probleme.« Er hob den Kopf und sah Reithöfer nun direkt an. »Ja, ich schäme mich deswegen.«
Menkhoff hatte genug von Oliver Glöckner. Er wandte sich ab, machte ein paar Schritte in Richtung Ausgang und blieb noch einmal stehen. »Geben Sie Frau Reithöfer Adresse und Telefonnummer Ihrer … Freundin. Verlassen Sie bitte nicht die Stadt, und halten Sie sich jederzeit zu unserer Verfügung.« Dann wandte er sich an Reithöfer. »Ich warte draußen auf dich.«
Als er ins Freie trat, atmete er erst ein paarmal tief durch, dann wählte er Brosius’ Nummer und forderte ein Observierungsteam für Oliver Glöckner an. Danach ging er zum Auto und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Er dachte daran, dass er am nächsten Tag endlich seine Tochter sehen sollte. Und dass daraus nichts werden würde.
45
Das Erste, was Eva sah, als sie die Augen öffnete, war eine graue Betonwand. Das wurde ihr aber erst bewusst, nachdem sie die Wand lange Zeit teilnahmslos angestarrt hatte. Es war kein Anblick, der ihr bekannt vorkam, und diese Erkenntnis brachte ihren Puls augenblicklich zum Rasen. Sie saß auf kaltem Boden, in einer Ecke, rechts neben ihr befand sich ebenfalls eine Wand aus grauem Beton, in deren Mitte eine Stahltür eingelassen war. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie den Kopf nach links, erfasste mit einem Blick die Situation, schrie auf und hörte im nächsten Augenblick einfach auf zu atmen.
Der Raum mochte etwa zehn mal zehn Meter groß sein, alle Wände bestanden aus unverputztem Beton. Erhellt wurde er vom kalten Licht einer der Neonröhren, von denen insgesamt drei an der Decke hingen. Eine zweite Stahltür befand sich in der Mitte der linken Wand. Zu beiden Seiten der Tür hingen jeweils zwei kleine, altmodische Fernsehgeräte in Augenhöhe, die vollkommen verdreckt waren und nicht mehr funktionstüchtig aussahen. Außerdem war auf der linken Seite ein ebenfalls veraltetes Wandtelefon angebracht. Auch vor und an den anderen Wänden standen oder hingen irgendwelche Gerätschaften, die aber allesamt alt, schmutzig oder sogar teilweise zerstört waren. Was aber dazu geführt hatte, dass Eva der Atem stockte, war nichts von alledem. Es war der Sarg, der sich in der Mitte des Raums befand. Eva zweifelte keine Sekunde daran, dass es
der
Sarg war, in dem sie schon mehrmals gelegen hatte.
Es war ein klassisches Model in Truhenform, aus hellem Holz mit jeweils drei Messinggriffen an den Seiten. Vier etwa zehn Zentimeter hohe Holzklötze an den Ecken dienten als Füße. Diese schwebten jedoch frei, denn der Sarg ruhte auf drei etwa hüfthohen Holzböcken.
Eva stütze sich mit den Händen seitlich auf dem kalten Boden ab und stand langsam auf, wobei sie den Sarg keine Sekunde aus den Augen ließ. Sie atmete nun ganz flach, als könne jedes Geräusch, das sie von sich gab, etwas Furchtbares in Gang setzen, das nicht mehr zu stoppen war. Als sie es endlich geschafft hatte sich aufzurichten, lehnte sie sich erst einmal gegen die Wand und verharrte in dieser Position eine Weile. In ihrem Kopf herrschte ein ganz eigenartiger Zustand. Ihre Gedanken wollten hektisch lospreschen und sich förmlich überschlagen, aber es fehlten die Worte dazu. Es war, als würde sie stotternd denken wie ein kalter Motor, der nicht in Gang
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