Der Sarg: Psychothriller
keine Lust mehr auf diesen Dreck, Jutta.«
Sie schwiegen eine Weile, dann sagte sie: »Darf ich dich was fragen?«
»Na los.«
»Fällst du gerade in alte Verhaltensmuster zurück, Bernd? Du fluchst, wirst laut gegenüber Zeugen … Ist es das, warst du früher immer so?«
»Ach, ich weiß es nicht. Vielleicht. Ein Stück weit. Ich kann und möchte mich bei solchen Typen nicht mehr zusammenreißen müssen. Ich …« Er stockte und sah sie an, so lange, bis sie den Blick vom Verkehr losriss und auch ihn kurz ansah. »Ich höre auf, Jutta. Nach diesem Fall mache ich Schluss mit der aktiven Ermittlungsarbeit und lasse mich in den Innendienst versetzen. Wenn es geht, wieder in Aachen.«
Wieder ein schneller Blick von ihr. »Du im Innendienst? Bernd, du bist im Moment emotional sehr aufgeladen, was ich auch verstehen kann. Ich würde in einer solchen Situation aber keine Entscheidungen von solcher Tragweite treffen.«
»Diese Entscheidung habe ich nicht erst heute getroffen. Ich denke seit einiger Zeit schon darüber nach. Aber es stimmt schon, dieser Fall hat letztendlich den Ausschlag gegeben. Ich möchte nichts mehr mit Psychopathen und menschlichem Abschaum zu tun haben, mein Eimer für Seelenmüll ist voll, da passt einfach nichts mehr rein, verstehst du? Ich möchte in der Nähe meiner Tochter sein und an
ihrem
Leben teilhaben, nicht an dem von irgendwelchen Scheißkerlen, die nichts anderes als ihren eigenen Vorteil und ihre Geldgier im Kopf haben, selbst wenn um sie herum Menschen verrecken.«
»Aber das ist doch schon immer so gewesen. Es ist doch unser Job, die Gesellschaft, zu der auch deine Tochter gehört, vor diesen Kerlen zu schützen. Hast du daran schon mal gedacht? Dass du mit dazu beiträgst, dass dein Kind in einer halbwegs sicheren Umgebung aufwachsen kann?«
»Ich bin fertig damit, Jutta.« Er sagte es bewusst so bestimmt, in der Hoffnung, Reithöfer würde es aufgeben, mit ihm darüber zu diskutieren.
»Gut, lassen wir das jetzt mal so stehen. Aber tu mir einen Gefallen: Unternimm nichts, bis dieser Fall abgeschlossen ist, ja?«
»Falls wir ihn abschließen, Jutta.«
»Zweifelst du daran?«
Er zuckte mit den Schultern und sah demonstrativ nach vorne.
Im Präsidium angekommen, erkundigte Menkhoff sich als Erstes nach den Akten über den Tod von Manuel Rossbach, während Reithöfer nachhören wollte, wie die anderen vorankamen. Brosius hatte Beate Feldermann und Heiko Munsbach an die Unterlagen und Berichte gesetzt, zwei Oberkommissare Mitte dreißig.
»Könnt ihr mir was zu dem Tod des Jungen sagen?«, fragte Menkhoff ohne Umschweife, als er das Büro der beiden betrat. »Habt ihr was entdeckt, das euch seltsam erscheint?«
Beate Feldermann sah ihn an und sagte spitz: »Guten Tag, Herr Hauptkommissar.«
Menkhoff winkte ab. »Ja, ja, schon gut, ich weiß. Also?«
»Die Mutter hat ausgesagt, sie sei mit den beiden Kindern nicht weit vom Ufer entfernt gepaddelt«, erklärte Munsbach. »Sie hat angeblich nicht mitbekommen, dass der Junge die Schwimmweste geöffnet hat. Er sei dann herumgeturnt und plötzlich ins Wasser gefallen. Dabei hat er die Weste ganz verloren und ist ertrunken. Sie konnte nicht hinterherspringen, weil sie ihre kleine Tochter wegen der offenbar recht starken Strömung nicht allein im Boot lassen konnte.« Er schob einen Stapel Unterlagen zur Seite und breitete einige Fotos aus, die die Stelle zeigten, an der der Unfall passiert war.
»Da stellt sich mir die Frage, warum eine Frau mit zwei kleinen Kindern an einer Stelle im Rhein herumpaddelt, an der selbst sie als Erwachsene kräftig rudern muss, um nicht abgetrieben zu werden.«
»Diese Frage haben sich offenbar auch die Kollegen damals gestellt, denn der Fall wurde erst nach eingehenden Untersuchungen als Unfall gewertet und abgeschlossen.«
»Ach, gab es damals Zweifel an der Aussage der Frau?«
Beate Feldermann hielt ihm eine Akte entgegen. »Schau dir das mal an. Die Patientenakte des Jungen aus dem Krankenhaus. Die ist dicker als bei den meisten Siebzigjährigen.«
Menkhoff klappte den orangefarbenen Deckel der Akte auf und überflog die erste Seite, einen Bericht über die ambulante Behandlung des Jungen. Schon nach wenigen Worten schüttelte er den Kopf und las laut vor: »Distale Fraktur des Radius, Colles-Fraktur, Smith-Fraktur – geschlossen …« Er ließ die Akte sinken, sah Feldermann an und fragte: »Was soll ich damit?«, woraufhin sie sich auf dem Tisch umsah, nach ein paar losen
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