Der Sarg: Psychothriller
eine Kamera geben. Und der Kerl saß jetzt vor einem Monitor und beobachtete jeden ihrer Schritte. Wahrscheinlich konnte er es gar nicht mehr erwarten, bis sie den Deckel endlich öffnete und die Überraschung fand, die er dort für sie deponiert hatte.
Ruckartig zog Eva ihre Hand zurück. Was, wenn Sie den Deckel nicht öffnete? Durchkreuzte sie damit seinen Plan? Verlor damit alles für ihn den Sinn und er ließ sie gehen?
Er hat bereits mindestens zwei Frauen umgebracht
, sagte sie sich selbst.
Und da soll er dich gehen lassen? Niemals.
Aber was sollte sie nur tun? Sie war eingeschlossen in einer Kammer, einem Keller, oder was auch immer dieser Raum war. Sie wusste weder, wie sie dort hineingekommen war, noch wer sie hierher gebracht hatte. Dort vor ihr stand ein Sarg, in dem sie wahrscheinlich schon dreimal gelegen hatte. Sollte es jetzt endgültig
ihr
Sarg werden? Würde es dieses Mal kein Zurück mehr geben?
Ohne darüber nachzudenken rannte Eva los, in Richtung Tür und hämmerte mit den zu Fäusten geballten Händen dagegen. Gleichzeitig schrie sie aus Leibeskräften um Hilfe. Sie achtete nicht darauf, dass ihre Hände schmerzten, schlug immer weiter gegen das Metall und brüllte, dass sie nicht sterben wollte. Dass sie bitte nicht sterben wollte. Irgendwann verließen sie die Kräfte, sie ließ die schmerzenden Arme sinken, den Kopf, berührte schwer atmend mit der Stirn das kalte Metall der Tür und weinte schluchzend.
Nach einer Weile versiegten ihre Tränen, es kamen einfach keine mehr nach. Sie ließ die Schulter gegen die Tür sinken und hob den Kopf. Sie drehte sich um, lehnte nun mit dem Rücken an der Tür, und ließ sich langsam daran heruntergleiten, bis sie wieder auf dem Boden saß. Plötzlich war sie vollkommen lethargisch. Aber wie konnte das sein? Sie hatte doch Angst, hatte doch eben noch hier raus gewollt. Und jetzt, von einem Moment auf den anderen, hatte sie jeden Antrieb verloren. Warum konnte sie sich denn nicht mehr rühren, weshalb unternahm sie denn nichts?
Ihr Blick fiel wieder auf den Sarg. Auf den verfluchten, elenden Sarg! Bei dem Anblick der glanzlosen, drohenden Holzkiste bäumte sich jetzt etwas in ihr auf, setzte neue Energie frei und ließ sie sich vom Boden hochdrücken, mit einem Grunzlaut aufstehen und mit schnellen Schritten zu dem Ding hingehen. Sollte der Kerl seine Genugtuung haben, wenn es dazu führte, dass dieser Horror dann endlich vorbei war!
Ohne weiter darüber nachzudenken schob sie die Finger beider Hände unter die Kante, hielt noch einmal inne und hob den Kopf. Ihre Augen suchten die Decke und die Wände nach einer Kamera ab, und als sie keine entdecken konnte, richtete sie ihre Worte einfach irgendwo in den Raum. »Schau her, du Mistkerl.« Sie war außer sich, schrie aus Leibeskräften mit bereits heiserer Stimme. »Ich öffne deinen Sarg. Aber weißt du was? Ich habe keine Angst mehr. Es ist mir egal, was jetzt kommt. Ja, schau nur her.«
Mit einem entschlossenen Ruck zog sie am Deckel, der sich mit einer solch unerwarteten Leichtigkeit öffnen ließ und zur anderen Seite umschlug, dass sie von ihrem eigenen Schwung fast hintenüber gekippt wäre. Als sie sich wieder halbwegs gefangen hatte, machte sie einen Schritt nach vorne und … stieß einen langgezogenen Schrei aus.
In dem Sarg lag eine junge Frau. Sie war nackt, Augen und Mund waren verklebt, die Hände gefesselt. Und sie war zweifellos tot. Auf ihrer Brust lag ein Schild, doch die Worte darauf konnte Eva nicht mehr lesen. Die Welt begann sich zu drehen, dann legte sich ein gnädiger schwarzer Schleier über ihr Bewusstsein.
46
»Was war denn gerade mit dir los?«, fragte Reithöfer, als sie losgefahren war.
Menkhoff sah sie an. »Was los war? Ich kann diesen ganzen Mist nicht mehr hören, das war los. Geldgier, Affären, Intrigen, Lügen … Scheiße! Wir versuchen Mordfälle aufzuklären und zu verhindern, dass noch weitere Frauen qualvoll sterben müssen, und werden doch nur nach Strich und Faden verarscht. Und diese Typen tun dabei so, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, uns anzulügen, weil die Wahrheit gerade nicht so passt. Und wegen solcher Arschlöcher werde ich morgen meine Tochter nicht sehen können. Beim nächsten Streit mit Teresa wird sie dann genau das als Beweis dafür anführen, dass ich meiner Verantwortung als Vater nicht nachkomme. Und irgendwann bekommt sie das alleinige Sorgerecht, und ich sehe meine Tochter gar nicht mehr. Ich hab einfach
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