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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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leer war und seinen Blick ungebrochen reflektierte. Da war nichts zwischen seinen Augen und der Decke. Nur irgendwo mahlte seine Gedankenmühle, und die leeren Hülsen spritzten und stoben und fielen zu Boden, zum übrigen Schmutz. So war das also. Hinlegen mußte er sich, ausruhen, aber es gab nichts gegen die Schmerzen, nichts gegen die Übelkeit, er war einfach kaltgestellt. Ein kaputtes Ersatzteil, das ausgewechselt wurde. Niemand fand etwas Besonderes daran. Er wurde einfach entfernt. Daß es das gab, eine Krankheit, gegen deren Wirkungen man nichts unternahm. Das war keine Krankheit. Eine Krankheit ließ einen nicht verschwinden. Das war keine Krankheit. Bei einer Krankheit kümmerten sich andere um den Kranken. Das war eine Strafe, eine Verbannung, eine Entfernung. Niemand protestierte. Wofür wurde er bestraft und von wem? Er war schmutzig von innen. Er war ansteckend in seinem Schmutz. Keiner wollte sich anstecken lassen mit seinem Schmutz. Sie kehrten ihn alle vor die Tür. Unterschiedslos. Was war es, was alle gemeinsam hatten? Was trieb sie alle gemeinsam? Genau, es war die Angst vor dem Schmutz, vor ihrem eigenen Schmutz, sie flohen alle davor, keiner wollte sich mit einem anderen schmutzig machen. So war das also.
    Barbara kam, um sich zu verabschieden.
    Wieso, wo gehst du hin? fragte Johann.
    Ich fliege morgen nach Beirut für die Zeitung. Der große angebliche Rückzug der Israelis hat begonnen.
    Johann sah sie an. Davon wußte ich gar nichts.
    Barbara zuckte die Schultern. Nein.
    Wie lange wirst du bleiben?
    Drei, vier Wochen vermutlich.
    Warum hast du mir nichts erzählt? fragte Johann.
    Warum sollte ich dir davon erzählen? Hätte es dich interessiert?
    Jetzt interessiert es mich.
    Einen Dreck hätte es dich interessiert, sagte Barbara.
    Und was soll ich jetzt tun?
    Wie fühlst du dich überhaupt?
    Schlecht.
    Und was sagt der Arzt, was du tun sollst?
    Nichts. Nichts soll ich tun. Nichts kann ich tun. Man kann überhaupt nichts dagegen tun.
    Barbara sah ihn schweigend an.
    Und du haust ab, sagte Johann. Hast du eigentlich auch mit Wolfgang geschlafen?
    Ja.
    Na, du nimmst wirklich die erste Gelegenheit wahr, dich an mir zu rächen.
    Das ist doch lächerlich, sagte Barbara. Was erwartest du denn von mir?
    Nichts, sagte Johann.
    Na also.
    Also du hast mit ihm geschlafen?
    Barbara antwortete nicht.
    Und warum? fragte Johann.
    Weil ich Lust hatte.
    Und jetzt fährst du nach Beirut.
    Barbara nickte.
    Nichts habe ich jemals erwartet, sagte Johann, weil nichts zu erwarten ist.
    Nichts, weil du selber nichts gegeben hast, sagte Barbara.Wer hat sich denn um wen einen Dreck gekümmert, als er Peter entdeckt hat? Wer mußte denn jede Nacht durch die Stadt ziehen, vollgekifft, auf der Suche nach irgendwelchen ausgefallenen Kicks? Wem war denn alles andere völlig gleichgültig? Wer ist denn so leer, daß er auch in keinem anderen mehr nach etwas sucht? Was erwartest du denn von mir? Daß ich mich dreimal von dir ficken lasse und du mich dann liegenläßt wie eine ausgetrunkene Bierflasche oder ein volles Präservativ; du meinst, ich bleibe liegen, bis ich anfange zu stinken. Ich habe aber zufällig mein eigenes Leben. Das hatte ich schon lange, bevor du hier aufgekreuzt bist. So wichtig bist du nicht! So entscheidend bist du nicht! Und jetzt gehts dir schlecht, und ich soll mich wieder um dich kümmern. Was soll ich denn machen? An deinem Bettchen sitzen, bis du wieder gesund bist, dich womöglich gesundbeten?
    Komm nur nicht näher und steck dich an meinem Schmutz an! krächzte Johann.
    Nein! schrie Barbara. Das tu ich auch nicht! Ich will ihn nämlich nicht haben, deinen Schmutz. Ich bring dir Tee, und ich mach dir dein Bett, wenn ich hier bin, aber ich lasse mich nicht von dir anstecken, nicht von deiner Krankheit, nicht von deiner Leere, nicht von deinem Egoismus. Und wenn ich verreisen muß, dann verreise ich, und ich denke gar nicht daran, ich denke überhaupt nicht daran, das für dich aufzugeben. Wer bin ich denn? Wer bist du denn?
    Ich bin ein stinkendes Stück Scheiße, sagte Johann. Ich bin deine eigene Scheiße, die du wegspülen willst.
    Ja, was soll ich wohl sonst tun mit Scheiße? Soll ich sie noch mal fressen?
    Hau ab, geh nach Beirut, hoffentlich fickt dich noch mal einer, sagte Johann schwach.
    Ja, ich gehe auch, rief Barbara. Aber ich gehe nicht, weil du mich wegschickst, genausowenig wie ich komme, weildu mich rufst, ich bin schon gekommen und gegangen, wohin ich wollte, bevor es dich gab.

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