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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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krank? Laß dich mal ansehen?
    Johann setzte sich auf und versuchte zu lächeln.
    Barbara ergriff mit ihrer kühlen Hand sein Kinn und drehte sein Gesicht ins Licht.
    Bist du krank?
    Mir gehts nicht gut, sagte er.
    Deine Augen sind völlig gelb, deine Augäpfel, sagte Barbara und lehnte sich zurück.
    Was heißt das?
    Hast du gesumpft gestern mit Peter? Zuviel Shit, Opium, oder hast du womöglich gefixt?
    Johann schüttelte den Kopf.
    Deine Augen sind gelb, sagte Barbara und zuckte hilflos die Schultern. Wie fühlst du dich?
    Beschissen, sagte Johann und zog die Knie an die Brust.
    Kannst du dich etwas deutlicher ausdrücken? fragte Barbara.
    Johann streckte die Beine wieder, seine Knie schmerzten.
    Ich hab gekotzt, und mein Bauch tut weh, und meine Gelenke und Knochen tun weh, und meine Pisse ist dunkelbraun. Noch mehr?
    Du solltest zum Arzt, sagte Barbara.
    Nein.
    Was heißt nein? Du bist krank.
    Ich will zu keinem Arzt.
    Barbara rückte ab. Sei nicht kindisch. Wenn man krank ist, geht man zum Arzt.
    Was soll ich denn haben? fragte Johann.
    Ich weiß es nicht, sagte Barbara, aber du siehst aus, als hättest du dir eine Gelbsucht gefangen.
    Gelbsucht?
    Ich weiß es nicht, das kann dir nur ein Arzt sagen, also geh hin zu einem. Hast du einen Krankenschein?
    Nein.
    Macht nichts. Den kann man nachreichen. Mein Arzt sitzt in der Skalitzer. Willst du, daß ich anrufe? Meinetwegen gehe ich auch mit.
    Nein, sagte Johann.
    Dann geh ich nicht mit. Ist mir auch recht.
    Nein, ich will nicht zum Arzt, sagte Johann. Außerdem ist Wochenende.
    Das stimmt allerdings, sagte Barbara. Also dann Montag, klar?
    Johann sagte nichts.
    Möchtest du einen Tee? fragte Barbara.
    Johann schüttelte den Kopf. Keinen Appetit.
    Barbara stand auf.
    Meinetwegen einen Tee, sagte Johann schnell.
    Barbara öffnete die Tür.
    Was machst du jetzt? fragte Johann.
    Barbara lächelte. Ich mache dir einen Tee, dann arbeite ich, und danach habe ich eine Verabredung. Geht das in Ordnung?
    Johann nickte.
    Aber am Montag ging er nicht zum Arzt und auch am Dienstag nicht, und als Barbara wütend wurde, kamen ihm die Tränen, mehr aus Schwäche und aus Angst, denn er wußte, daß sie recht hatte. Er verbrachte die Tage apathisch in der Wohnung, trank Tee und hatte keinen Appetit. Seine Stirn wurde gelblich, dann seine Nase, die Wangen, das Kinn, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Es regnete fast ununterbrochen, und nie wurde es richtig hell, als sei der Himmel direkt mit Johanns Körper verbunden, und er lag im Bett und phantasierte vor sich hin, ob die Krankheit draußen ihn angesteckt hatte oder ob es andersherum warund der Himmel sich erst dann wieder aufhellen würde, wenn er gesund war. Er wurde aber nicht gesund, sondern schwächer, und der Druck in seinem Bauch, als sei seine Leber aus Blei, verstärkte sich.
    Das Leben in der Wohnung rund um ihn herum verlief wie sonst, und mit zunehmender Verzweiflung wurde Johann bewußt, daß sich tatsächlich nur für ihn etwas geändert hatte. Als er am Dienstag bemerkte, daß die anderen einen Bogen um ihn machten und Abstand hielten, wenn sie ihn fragten, wie es ihm ginge, und seinen Kopf fixierten, die Farbe prüften, ohne ihn dabei anzusehen, so als sei er schon tot, entschloß er sich, doch zum Arzt zu gehen. Von Barbara fühlte er sich verraten. Er bekam einen Termin für Donnerstag vormittag.
     
    Im Wartezimmer des Arztes, mit den Leuten, die jeder für sich allein auf den weißen Plastikstühlen mit dem orangeroten Bezug saßen und auf abgegriffene Zeitungen starrten, ohne zu lesen, fühlte Johann sich besser und schlechter als zuvor. Besser, weil er endlich Klarheit bekommen würde, und schlechter, weil er Angst vor dem hatte, was er hören würde. Aber war es denn nicht egal gewesen, spielte es denn doch eine Rolle? Johann wollte und konnte nicht darüber nachdenken, nur das Warten blieb, das seine ganze Kraft erforderte, sein Bauch, der schmerzte, vor Angst und vor Krankheit, das war alles. Sein Körper hatte Angst, nein, sein Körper schmerzte nur, sein Kopf hatte Angst, Angst worum, was war da, worum man Angst haben mußte, was war da, weswegen man lieber gesund als krank war, was war es? Warum wollte er Klarheit, warum wollte er sich behandeln lassen? Wogegen oder wofür wollte er sich behandeln lassen und warum jetzt? Weil jetzt sein Körper wehtat. Wenn der Körper krank war, setzte er durch, daß der ganze Mensch sich behandeln ließ. Aber was war er schließlich anderes alssein Körper. Er

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