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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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die für ein Wochenende Berlin besuchten, die ehemalige Reichshauptstadt, die dekadente Amüsierhauptstadt. Sie genossen das Leben in Maßen und an Samstagen, sie waren selbstsicher und hatten allen Grund dazu, denn sie waren erfolgreich, das heißt, sie hatten Geld oder die Aussicht darauf, und statt zu denken, besichtigten sie, und statt teilzunehmen, drängten sie sich um das Vakuum ihrer eigenen Mitte. Sie waren das verwaschene Endprodukt einer Idee, die in Berlin selbst geboren war; wild, häßlich, provokant hatte sie begonnen, die Vermischt-Spalten der Zeitungen zu interessieren, und dann war die Industrie eingestiegen, die Werbung, die Musik, und das System bediente sich, walzte, stanzte, nivellierte, und die Idee rollte auf gerundeten Kanten in die Provinz, wo sie sich plötzlich in Form von Haargel und bunten Pullovern wiederfand, und Mode geworden und harmlos, kehrte sie auf kurzen Trips wieder zu ihrem Herkunftsort zurück und konfrontierte ihre ahnungslosen Väter mit den Kopien ihrer ursprünglichen Form.
    Die vier hatten zu Abend gegessen und wußten noch nicht, wo sie die Nacht verbringen wollten. Die Männer bestellten Bier, die Mädchen verlangten einstimmig Sekt.
    Ich will in jedem Falle tanzen gehen heute abend, sagte eine von ihnen.
    Und ich will in diesen Laden, wenn ich nur wüßte, wie er heißt, wo die ganzen Schwulen sind, die ganze Berliner Szene, wißt ihr, wo das Kokain offen über den Tresen verkauft wird, sagte ihre Freundin.
    Also Schwuchteln muß ja nicht sein, meinte ihr Begleiter.
    Der andere kicherte. Vor denen mußt du dich in acht nehmen, so wie du heute aussiehst.
    Der Angesprochene machte eine Geste, als müsse er sich übergeben.
    Eines der Mädchen flüsterte: Frag die beiden mal, wohin man gehen kann.
    Du kannst nicht einfach so jemanden ansprechen.
    Aber sicher. Die kennen sich garantiert aus.
    Mit Koks vielleicht, bei den Visagen, sagte der eine junge Mann leise.
    Meinst du, die haben welches?
    Du willst doch nicht etwa –
    Nein, aber meinst du, hier wird welches genommen?
    Alle vier schwiegen und betrachteten nachdenklich die beiden schwarzgekleideten jungen Männer, deren Gesichter im Licht der Tresenbeleuchtung elfenbeinweiß schimmerten. Einer der Touristen faßte sich ein Herz und tippte Peter auf die Schulter.
    Entschuldigung, kennt ihr euch hier gut aus? Wir möchten ein bißchen was sehen, und hier wird einem nichts geboten, aber wir wissen nicht, wo was los ist.
    Peters Gesicht straffte sich, und er lächelte dünn. Berliner Nightlife? fragte er. Tja, wo soll man da anfangen.
    Genau das ist unser Problem. Darf ich euch etwas spendieren?
    Peter nickte und verlangte Whisky. Der junge Mann wandte sich zu Johann. Ebenfalls.
    Er hob den Finger, um zu bestellen. Peter lächelte Johann zu. Er schien wieder zum Leben zu erwachen.
    Eines der Mädchen mischte sich ein. Ich würde gern diese ganzen Läden sehen, von denen man hört. Geht es wirklich so heiß her?
    Es ist ruhiger geworden, sagte Peter.
    War es noch verrückter?
    Aber ja, jetzt ist ja gar nichts mehr los.
    Ich meine, wie war es so, wenn man richtig mit drin war?
    Ein einziger langer Exzeß, sagte Peter ernst. Eine lange laute Nacht von vier Jahren, stell dir vor, eine vier Jahre dauernde schlaflose Nacht, von Bar zu Bar, Speed, wenn du müde wirst, und Valium, wenn du ausflippst. Und Musik. Und an jedem Tresen eine neue Erkenntnis, wie nah das Ende der Welt ist.
    Und wie finanziert man das? fragte einer der jungen Männer.
    Das Geld ist einfach da. Es kommt irgendwie, sagte Peter.
    Siehst du, sagte eines der Mädchen mit dem Sektglas in der Hand.
    Sie verließen alle die Bar, und Peter und Johann stiegen in den Golf des einen Pärchens, das andere stieg in ein Käfer-Cabrio, dessen Fahrer, entflammt vom Glühen der geöffneten Ränder der Nacht, das Dach abnahm und der kalten Januarluft trotzte.
    Peter und Johann lotsten die Touristen zu den magischen Stätten der Nacht, eingehüllt in laute Schlagermusik aus den Wagenlautsprechern, und hinaus in die kalte Finsternis, wo die Zerberusse den Weg in den grün pulsierenden Hades freigaben, in den, von einem heiseren Orpheus geführt, ein ganzes Heer von Weltmüden einbrach, ihn bestaunte, für ein holografiertes Abenteuer mit Rückfahrkarte eroberte.
    Wenn Peter gedacht hatte, sie könnten sich über die Gäste lustig machen, so sah er sich bald getäuscht. Mit der ihnen eigenen Selbstverständlichkeit benutzten sie ihre Führer, betrachteten, was ihnen geboten

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