Der Saubere Tod
noch möglich ist.
Vielleicht hast du recht, sagte Barbara. Nicht zwischen Menschen, nicht zwischen uns. Kennst du dich mit Delphinen aus?
Johann schüttelte den Kopf.
Delphine sind die einzigen Tiere, die die Menschen um ihrer selbst willen lieben, eine Freundschaft, die nicht auf Vorteil bedacht ist.
Warum erzählst du mir das?
Ich weiß nicht. Ich habe Delphine gesehen, im Mittelmeer, in Griechenland. Delphine, die mit den Fischerjungs spielten, die mit ihnen befreundet waren. Warum gehst du nicht dahin?
Jetzt redest du Unsinn, sagte Johann leise.
Ich weiß. Barbara lächelte. Ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben. Verzeih, ich kann dich nicht aus der Wohnung werfen, aber ich, ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben.
Sie sah Johann an. Dann stand sie auf, ging aus dem Zimmer und schloß behutsam die Tür. Johann nickte, als schlösse er ein Kontobuch.
Er legte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände unter dem Kopf und sah zur Decke, wo in weißen Schlierendie Zeit ineinanderfloß. In einem Nebenzimmer spielte Musik, es war wie immer. Bewegungslos die Zeit passieren lassen, als läge er am Ufer eines Flusses, von Musik angeweht wie von leichtem Wind, das schien ihm plötzlich die Konstante seines Lebens zu sein, des Lebens aller; wann immer man ein Zimmer betrat, lagen Menschen hingestreckt auf Kissen, Matratzen oder Betten und ertrugen wartend die Strömung der Zeit. Johann schlief ein.
Am Morgen kämpfte er sich aus einem schweren Traum frei.
Sein Blick irrte im Zimmer umher und verweilte auf der Waffensammlung, die schwarz, silbern, kalt metallisch, ungebraucht noch, an der Wand hing. Dann erinnerte er sich an die Delphine, von denen Barbara gesprochen hatte. Glatt, elegant, freudig glitten sie durch warme blaue Tiefen, voll Zuneigung für den Menschen, ohne Arglist, ohne zurückzufordern, eine Welle von Wärme flutete über Johann hinweg, und er glitt, indem seine Augen sich von den Umrissen der Waffen lösten, noch einmal zurück in einen morgendlichen Halbschlaf.
Am Abend ging er zu Peter. Die Tür war nur angelehnt, und das Schloß war herausgebrochen. Die Wohnung war ein Trümmerhaufen. Kleider, Vorhänge, Bücher und Glassplitter lagen auf dem Boden, das Waschbecken war von der Wand gebrochen und mit einem Hammer zerhauen worden, die weißen zackigen Scherben lagen zerstreut auf der Erde.
Peter telefonierte.
Also kann ich es haben oder nicht? – So, und warum nicht? – Nein, weil ich anderes zu tun hatte, du solltest meine Wohnung sehen – Nein. – Nein. – Also endgültig nicht? Gut. – Nein, ich bin nicht böse. – Nein. – Nein, gute Nacht.
Peter blickte auf. Er sah müde aus. Seine Haut war grau, sein Hemd schmutzig. Er roch nach Schweiß.
Was ist hier passiert? fragte Johann.
Ich habe eine Rechnung nicht bezahlt. Nicht rechtzeitig. Überhaupt noch nicht. Das hier ist die Quittung.
Wen hast du gerade angerufen?
Bokassa, ich wollte seinen Wagen leihen, weil wir doch heute abend ausgehen.
Und?
Peter schüttelte den Kopf. Er braucht ihn selbst.
Macht nichts, sagte Johann.
Peter schüttelte den Kopf. Er saß inmitten der zerstörten Wohnung auf einem Stuhl und schwieg. Johann fragte ihn, wann der Einbruch geschehen war. Vor zwei Tagen. Ob er nicht aufräumen wolle. Peter zuckte die Schultern und nickte. Ob er schon einen Installateur gerufen habe. Peter reckte den Kopf mit einer Anstrengung und antwortete, daß er im Moment kein Geld für einen Installateur habe, sein Kapital sei aufgebraucht. Er sprach kaum, die Sätze steckten wie getrockneter Speichel zwischen seinen Zähnen, und es bereitete ihm Schmerzen, den Mund zu öffnen. Schließlich stemmte er sich aus dem Stuhl hoch und kämpfte ein Lächeln auf sein Gesicht.
So, gehen wir.
Johann wandte sich zur Tür.
Nur, wohin? fragte Peter.
Johann zählte die Plätze vom vergangenen Sommer auf. Peter blickte ihn leer an. Schließlich fragte Johann nicht weiter, sondern entschied, zum Risiko zu fahren.
Es war eine kalte Winternacht ohne Mond, und Berlin war still wie eine kleine Provinzstadt. Nur in der U-Bahn züngelte unter dem fahlen Licht gelbliches Leben, müde, gebändigt, auf schläfrigem Nachhauseweg oder in den Gleisen kleiner Wochenendabenteuer.
Später saßen sie schweigend nebeneinander am Tresen und tranken. Eine Gruppe von vier jungen Leuten betratlaut lachend die Bar und stellte sich im Gedränge in die zweite Reihe hinter Peter und Johann.
Es waren zwei gutaussehende Pärchen,
Weitere Kostenlose Bücher