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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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ist dann hinausgegangen. Was ist überhaupt passiert?
    Anatol hatte in Johanns Zimmer die geladene Gaspistole abgefeuert und dann eines der Messer genommen, um sich damit die Pulsadern aufzuschneiden. Er war gerade dabei gewesen, mit dem Messer in seinen Unterarm zu stechen, zu schaben und zu stochern, ohne die Vene finden zu können, als, alarmiert vom Lärm des Schusses, Barbara und Wolfgang ins Zimmer gekommen waren. Anatol weinte wie ein kleines Kind und ließ sich das Messer von Wolfgang ohne Gegenwehr aus der Hand nehmen. Der Arm blutete heftig, Anatol hatte eine Sehne angeschnitten, aber sein Zustand war nicht wirklich gefährlich. Barbara verband den Arm mit einem Kissenbezug von Johanns Bett und redete auf Anatol ein, während Wolfgang den Notarzt anrief.
    Wolfgang steckte den Kopf zur Tür herein. Der Arzt ist da. Kommst du?
    Barbara ging. Johann blieb noch einige Minuten in dem Raum stehen, dann ging er hinüber in sein Zimmer, lüftete es durch und legte sich aufs Bett. Die getrockneten Blutstropfen sahen auf dem grauen Zementboden braun aus.
    Später kam Barbara zurück.
    Kann ich mit dir reden?
    Johann nickte.
    Ich versteh dich nicht. Warum hast du ihn gehen lassen?
    Wer bin ich, jemanden aufzuhalten? fragte Johann.
    Aber du hast doch gesehen, daß er ausgeflippt war, oder nicht?
    Johann hob die Schultern, als könne er nicht beurteilen, was ausgeflippt sei und was nicht.
    Hast du denn überhaupt nichts mit den Leuten zu schaffen?
    Johann überlegte eine Weile. Nein.
    Und ich zum Beispiel, was glaubst du, warum ich am ersten Abend mit dir ins Bett bin?
    Johann sah sie an. Wenn ich mich richtig erinnere, hattest du Lust zu vögeln.
    Barbara blickte zurück. Glaubst du, die hätte ich gehabt, wenn ich dich nicht gemocht hätte?
    Johann dachte wiederum nach. Ich weiß nicht, sagte er.
    Weißt dus wirklich nicht?
    Nein.
    Also dann weißt dus jetzt.
    Gut.
    Mehr fällt dir dazu nicht ein?
    Es ist lange her, und es war nicht der Rede wert.
    So!
    Johann schwieg.
    Das heißt also, daß du sowas wie Sympathie für mich nicht hattest, sagte Barbara umständlich.
    Was verstehst du unter Sympathie?
    Herrgott, hast du mich gern gehabt, warst du verliebt in mich?
    Johann dachte nach. Nein.
    Jetzt hör mir zu. Ich war verliebt in dich. Hörst du: Verliebt.
    Und jetzt ist es vorbei, sagte Johann.
    Ja, jetzt ist es vorbei.
    Also wozu noch darüber reden.
    Ich gehe gleich, keine Angst, sagte Barbara. Aber ich werde dir noch sagen, warum ich fertig bin mit dir.
    Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen jetzt, wo du fertig bist mit mir, und vorher.
    Barbara schwieg.
    Wir haben miteinander geschlafen und etwas miteinander geredet. Jetzt reden wir auch miteinander. Das Reden ist nicht sehr viel anders.
    Barbara sah ihn an.
    Ansonsten hast du deine Arbeit gemacht, und ich habe mein Leben gelebt. Was ist also noch zu besprechen?
    Zu besprechen ist, sagte Barbara, daß du mir Angst machst. Es macht mir nichts aus, daß du nicht in mich verliebt warst, oder nicht gemerkt hast, daß ich in dich verliebt war. Aber mir macht Angst, daß du überhaupt keine Gefühle hast. Auch nicht für Anatol, der dir nichts getan hat.
    Ich habe Gefühle –
    Ja. Haß –
    Nicht nur Haß –
    Und Egoismus, sagte Barbara.
    Ich habe zu Hause genug Moralpredigten bekommen, deine werde ich mir nicht anhören. Außerdem hast du dich ja an Wolfgang schadlos gehalten, was willst du also noch raus haben?
    Haß und Egoismus, wiederholte Barbara.
    Johann schüttelte den Kopf. Es hat gar keinen Sinn. Ich bin nicht anders als andere.
    Du bist verantwortungslos, sagte Barbara. Du bist nicht allein auf der Welt.
    Johann lächelte. Aber du, du fühlst dich allein. Und deshalb pfuschst du jedesmal, wenn du allein bist, ein wenig in den Leben anderer Leute rum und nennst es Teilnahme. Das ist der einzige Unterschied. Wenn du allein bist, vögelst du mit einem fremden Jungen, rettest einen Spinner vor demSelbstmord, schreibst moralische Zeitungsartikel. Du hast Angst, du bildest dir ein, du tust jemandem was Gutes, das ist egoistisch, also erspar mir eine Predigt.
    Ich weiß nicht warum – warum du so bist, Barbara begann zu stottern, du bist, du bist –
    Hör auf zu heulen, sagte Johann.
    Barbara sah auf. Johann hielt das Messer in seiner Hand und sah sie an. Sie schüttelte den Kopf. Hör auf zu heulen, sagte Johann mit zitternder Stimme.
    Barbara zog ein Taschentuch und schnupfte sich aus.
    Ich dachte an Freundschaft, sagte sie.
    Ich glaube nicht, daß das

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