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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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gereinigt. Er stand vor dem Spiegel und trug sich eine braune Schlammaske aufs Gesicht, die die Haut säuberte. Seit er aus dem Krankenhaus zurück war, pflegte er seinen Körper täglich, der glänzte und glatt war. Maria saß in der Wanne.
    Wie lange willst du bleiben?
    Ich weiß nicht.
    Ich meine, wann kommst du wieder zurück?
    Gar nicht, sagte Maria. Ich will versuchen, da unten zu bleiben. Die Farben locken mich.
    Die Farben! sagte Johann. Und was wird aus deinen Sachen?
    Die holt ein alter Bekannter von mir und stellt sie bei sich unter. Er muß gleich kommen.
    Also du gehst auf Nimmerwiedersehn, sagte Johann.
    Ja, was hält mich hier? sagte Maria. Hier ist alles vorbei. Der Job ist gekündigt, mein Lover hat mich sitzenlassen –
    Was für ein Lover?
    Mein Freund.
    Ich wußte gar nicht, daß du einen Freund hattest.
    Ist das so seltsam? fragte Maria. Traust du mir keinen Freund zu?
    Ich habe hier nie jemanden gesehen. Was war das für einer?
    Ich kenne ihn aus dem Blockschock, sagte Maria. Ein schöner Blonder, ein Arier.
    Aha.
    Jedenfalls ist er weg.
    Johann schwieg. Dann fragte er: Und was willst du tun in Afrika?
    In der Sonne liegen und mir Kokosnüsse auf den Kopf fallen lassen. Maria lachte. Ich weiß es wirklich nicht. Ich denke, wenn ich dort bin, wird sich schon irgend etwas ergeben.
    Dieser Freund, wie hieß er?
    Manfred.
    Und?
    Und was? fragte Maria.
    Bist du traurig?
    Natürlich bin ich traurig. Aber ich gehe ja fort.
    Maria begann sich abzutrocknen. Johann sah im Spiegel die rote Narbe, die das schwarze Schamdreieck nach oben begrenzte.
    Woher hast du die? fragte er.
    Lange Geschichte, sagte Maria.
    Keine Zeit mehr, sie zu erzählen?
    Ich habe abgetrieben, sagte Maria.
    Aber das gibt doch nicht solche Narben.
    Es gab eine Entzündung, und ich mußte operiert werden.
    Was für eine Entzündung? fragte Johann.
    Eine Unterleibsentzündung.
    Was Gefährliches? fragte Johann. Ich meine, ist es gutgegangen?
    Nein, oder ja, eher ja. Ich wollte kein Kind. Nun ist der Schoß nicht mehr fruchtbar. Ich hatte kein Interesse, kleine Nazis in die Welt zu setzen.
    Was für Nazis?
    Herrgott, sagte Maria. Kleine Deutsche, kleine Nazis. Ich wollte sie nicht in die Welt setzen. Ich wollte nie Kinder haben.
    Überhaupt nie? fragte Johann.
    Nie, sagte Maria. Mit vierzehn hatte ich einen Traum, und seitdem wußte ichs. Und als ich schwanger war, war ich vollends sicher. Ich hätte mit ihm reden können, aber ich wollte nicht.
    Johann sah sie fragend an.
    Den Traum hatte ich, kurz bevor ich von meinen Eltern fort bin. Weißt du, ich bin fort, weil – mein Vater ist ein alter Faschist, ein feiger, ein Schlappschwanz, ein faschistischer Gehörnter, er ist Chemiker, das heißt, heute ist er lange pensioniert, und meine Mutter, eine Walküre, doppelt so groß wie er und kalt wie ein Fisch und genauso glitschig, sie hatte achtzehn Jahre lang denselben Liebhaber, aber ich glaube, sie wäre lieber lesbisch geworden, hätte sie sich nurgetraut. Aber egal, der Traum. Meine Eltern und ich, wir wohnten damals in der Nähe einer stillgelegten Tonziegelfabrik, wo ich öfter meine Nachmittage verbrachte. Es stand noch alles, die Halle, die Wärmekammern, der Ofen. Dahinter lag die ehemalige Tongrube, die jetzt ein See war mit abgestorbenen Bäumen. In meinem Traum war ich schwanger und lag in der Halle und wartete darauf, zu dem Tonsee zu müssen. Schließlich war der Moment gekommen, und ich ging hin. Am Ufer stand eine alte Frau, die mir befahl, in eine Art Silo einzusteigen, das war so ein Eisenturm, grün lackiert. Drinnen mußte ich eine Wendeltreppe hinauf, es war unmöglich, dort wieder hinabzusteigen, also immer weiter hinauf, und, oben angekommen, zwängte ich mich, Füße voraus durch eine Luke und kam in einen Gang, wo ich durch die Mühle gedreht wurde. Ich weiß es nicht mehr genau, es gab Zahnräder und Stahlstangen, es drehte und hämmerte, verletzte mich, ich wurde völlig schmierig, Mehl, Mehl war auch dabei, und völlig verschmiert von Mehl und anderem, mußte ich weiter durch die Luken, mal mit dem Kopf voran, mal mit den Füßen, und schließlich kroch ich auf eine Art Schütte und rutschte hinunter und fiel in den Tonsee. Ich schwamm herum, und dann rief mir die alte Frau am Ufer zu, ich hätte jetzt ein Baby bekommen, und reichte es mir ins Wasser. Ich nahm es nicht in die Hände, und es versank vor meinen Augen.
    Johann schwieg.
    Manfred fand den Traum ekelhaft, sagte Maria.
    Na, als Arier, sagte

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