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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Einsatz bereit. Sie lachte ihn aus.
    Edgar krabbelte rückwärts. Der Angreifer sprang zur Vordertür, um ihm den Weg abzuschneiden. Darauf hatte Edgar gehofft. Er rollte blitzschnell auf ein Knie, kam schon rennend hoch und war in drei Sätzen im Badezimmer. Als das Ding herangekommen war, um den Ausgang des winzigen Flurs zu versperren, hatte Edgar sein Rasiermesser bereits aufgeklappt.
    Seine Stimme hatte ihn im Stich gelassen. Die einzigen Geräusche in dem Raum stammten von seiner eigenen keuchenden Atmung und dem Trippeln seiner pantoffelbewehrten Füße, während er antäuschte und abblockte. Sein Angreifer tat es ihm nach, parierte, blockte ab, und machte dabei glitschige, feuchte Geräusche. Für Edgar war es wieder Krieg, und er hatte vor, genauso unerbittlich zu sein wie damals, 1942. Dies war nicht das erste Mal, dass er mit blankem Stahl einen Feind auf den Weg in die Hölle schicken würde. Er hatte seine Schildhand in ein Handtuch gewickelt.
    Hinten an der Wand quetschte sich eine magere schwarze Katze durch den unteren Teil des Risses und schien überrascht, dass sie nach dem Durchgang blutbeschmiert war. Sie kauerte sich hinter den Heizkörper, an der Stelle, die vorher nicht da gewesen war, und begann sich sorgfältig sauber zu lecken. Dann und wann blickten die goldenen Augen auf, um dem Kampf zu folgen, der sich vor dem Badezimmer abspielte.
    Edgar sah sofort, dass sein Gegner blind war. Das Badezimmerlicht schien in die Abgründe von zwei leeren Augenhöhlen. Verklebt, aber augenlos. Das Monster folgte ihm auf irgendeine andere Weise.
    Er hob den geschützten Unterarm. Er hatte die Bewegung vor Jahrzehnten gelernt, und der Instinkt hatte ihn nicht verlassen. Wenn der Feind angreift und mit dem Messer in den Arm sticht, dann kann man den Arm verdrehen und die Klinge für einen Moment zwischen den Knochen verkanten und sich einen Augenblick erkaufen, in dem man selbst den Todesstoß versetzen kann. Er machte einen weiteren vorgetäuschten Ausfall.
    Das Ding in der Bikerjacke duckte sich, aber nur verzögert, als sei es ferngesteuert.
    Es versuchte, einen Schritt näher zu kommen. Der Gestank in dem winzigen Raum war brechreizerregend. Edgar riss sich zusammen, um nicht einen entsprechenden Schritt rückwärts zu machen. Er wollte nicht an die Wand des Badezimmers gedrängt werden. Er machte einen seitlichen Ausfall, und die schwedische Klinge sauste millimeterscharf am nackten Kieferknochen des Monsters vorbei.
    Es zuckte zurück, wenn auch nur um Haaresbreite. Das hieß, dass es sich vor dem Rasiermesser fürchtete. Edgar hatte eine Chance.
    Sie vollführten einen Tanz umeinander, das schlangengleiche Tänzeln, das die Voraussetzung für mörderische Stichwunden bildete: das blitzschnelle Zucken geschärften Metalls, das Eindringen und Zerfetzen, der Sieg für einen von beiden. Das spöttische Grinsen blieb bestehen und dominierte den unteren Teil des Kopfes dieses Wesens, aber es war kein Grinsen. Es war das Fehlen von Haut und Muskeln, die beständige Fratze der Hohlstellen eines Totenschädels. Edgar machte einen Ausfall und zog sich blitzschnell wieder zurück. Sein Gegner warf spielerisch das Messer von der einen in die andere Hand. Fäden klebrigen Blutes schienen die Hände in der Luft zu verbinden. Alles nur Show.
    Edgar versuchte einen niedrigen Ausfall und wurde abgeschmettert. Dann nahm das Zombiewesen das Messer in die Faust, sodass die Klinge auf der Seite des kleinen Fingers war – wie Edgar wusste, war das die schlechteste Position, ein Messer im Kampf zu halten, weil es deutlich den Winkel einschränkte, in dem man zustechen konnte. Er sah den langen schwarzen Nagel des kleinen Fingers, als sich die Messerhand hob, um einen Stich nach unten zu führen, eine tödliche Offensive. Als er diese Bewegung sah, fühlte Edgar, dass er den Kampf gewonnen hatte.
    Mit einem erstickten Schrei stürzte er vor und fing die Hand des Angreifers über seinem Kopf mit der handtuchbewehrten Hand ab. Mit der anderen Hand schlitzte er ihm den Bauch auf, mit brutalen x-förmigen Schnitten. Die scharfe Klinge des Rasiermessers glitt durch verrottete Kleidung und angefaultes Fleisch wie durch Butter, hackte und zerteilte. Sturzbäche von dunkelbrauner Flüssigkeit quollen hervor, dicht gefolgt von Spiralen dunkelgrüner Eingeweide.
    Er sah die verwesende Visage deutlich vor sich, nur Fäulnis und Knochen, augenlose Höhlen, blutige Fetzen, aufgedunsene Verwesung und insektengleiche Borsten toter Haare.

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